Überwachungsstaat Deutschland? - Das will die Bundesregierung

Auswertung durch künstliche Intelligenz
Überwachung wie in China?
Sicherheit vs. Recht auf Anonymität
Im Koalitionsvertrag gegen Videoüberwachung
KI und die EU
Echtzeit-Auswertung nein, nachträgliche Auswertung ja
Kritik an Absicht der Bundesregierung
Unverständliche Interpretation des Koalitionsvertrags
Gefahr der Vorratsdatenspeicherung
BKA nutzt Software zur Auswertung
Identifizierung weiterhin durch Menschen
Großer Erfolg der Software
Software zur Unterstützung der Fahnder
Deutscher Anwaltverein kritisch
Videoüberwachung findet in beiden Fällen statt
Gleicher Druck für die Betroffenen
Niedrige Grenzen zur Auswertung
Europarecht steht über deutschem Recht
Kompromiss mit anderen EU-Ländern
Tür auf für die Massenüberwachung?
Stärkere öffentliche Debatte um KI-Verordnung der EU notwendig
Auswertung durch künstliche Intelligenz

Es gibt sie schon in Deutschland: die Kameras im öffentlichen Raum, die in der Fußgängerpassage oder am Bahnhof jede unserer Bewegungen aufzeichnen. Künstliche Intelligenz (KI) wertet die Bilder aus und gleicht sie mit vorhandenen Daten in Datenbanken ab.

Überwachung wie in China?

In China ist Massenüberwachung längst Gang und Gäbe. Für Ermittler in Deutschland sind die Kameras eine Erleichterung, da sie bei der Suche nach Verdächtigen unterstützen. Kritiker befürchten allerdings, dass sich Deutschland auf den Weg zum Überwachungsstaat begibt.

Sicherheit vs. Recht auf Anonymität

Es geht um Sicherheit auf der einen und das Recht auf Anonymität auf der anderen Seite. Gegner der Überwachungskameras fürchten einen Missbrauch der so gewonnenen Daten.

Foto: Pixabay / vjkombajn

Im Koalitionsvertrag gegen Videoüberwachung

Die regierenden Parteien SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben sich im Koalitionsvertrag gegen die Videoüberwachung ausgesprochen: "Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen wir ab."

KI und die EU

Allerdings spielt hier auch das Europarecht eine Rolle. Die Europäische Union berät über die "KI-Verordnung (AI Act)", welche laut der Tagesschau einen rechtlichen Rahmen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz stellt.

Echtzeit-Auswertung nein, nachträgliche Auswertung ja

Die deutsche Bundesregierung hat sich für ein europarechtliches Verbot der biometrischen Erkennung im öffentlichen Raum ausgesprochen. Allerdings soll zugleich eine nachträgliche Auswertung von Daten möglich sein, bspw. im Fall einer Ermittlung.

Kritik an Absicht der Bundesregierung

Genau diese Unterscheidung zwischen Echtzeit-Auswertung, gegen die sich die Bundesregierung ausspricht, und nachträglicher Auswertung von biometrischen Daten, welche die Bundesregierung befürwortet, wird vielfach kritisiert.

Unverständliche Interpretation des Koalitionsvertrags

Anke Domscheit-Berg von den Linken sieht die Ansicht der Bundesregierung kritisch. Sie sagt, dass es unverständlich sei, wie der Koalitionsvertrag so ausgelegt werden könne.

Gefahr der Vorratsdatenspeicherung

Domscheit-Berg füchtet die Gefahr der Vorratsdatenspeicherung: "Dass also künftig große Events oder spezielle Plätze einfach standardmäßig Video aufgezeichnet werden und nachträglich dann eine Analyse über Gesichtserkennung erfolgt, um Menschen zu identifizieren."

BKA nutzt Software zur Auswertung

Schon heute werden zu Ermittlungszwecken Daten biometrisch ausgewertet. Das Bundeskriminalamt (BKA) unter Leitung von Präsident Holger Münch, setzt bereits seit dem Jahr 2008 eine Software ein, die auf maschinellem Lernen basiert, d.h. mit jeder Nutzung ihre Fähigkeiten verbessert.

Identifizierung weiterhin durch Menschen

Die Software wird verwendet, um Fotos oder Videos mit den Datenbanken abzugleichen. Allerdings gibt die Software nur eine Liste möglicher Treffer aus, die schlussendliche Identifizierung erfolgt weiterhin durch die Polizeibeamten.

Großer Erfolg der Software

Im Jahr 2021 wurden 90.000 Abfragen getätigt, wobei die Identifikation von 5.000 Personen erfolgte. "Ohne derartige Technik wäre in solchen Fällen oft keine Generierung von Ermittlungshinweisen möglich," so das BKA.

Software zur Unterstützung der Fahnder

In diesen Fällen geht es darum, dass die Software und die biometrische Gesichtserkennung die Fahnder in der Ermittlung unterstützen. Es handelt sich hierbei allerdings um die nachträgliche Auswertung von Daten, nicht um die aktuell diskutierte und kritisierte Echtzeit-Auswertung.

Deutscher Anwaltverein kritisch

Der Deutsche Anwaltverein ist auch im Hinblick auf die nachträgliche Auswertung solcher Daten kritisch. Denn dabei werden eben die biometrischen Daten aller zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort anwesenden Menschen überprüft - auch wenn es bei den meisten von ihnen keinen Anlass zur Überprüfung gibt.

Foto: Pixabay / Medi2Go

Videoüberwachung findet in beiden Fällen statt

David Albrecht vom Deutschen Anwaltverein sieht die Unterscheidung der Bundesregierung zwischen Echtzeit-Auswertung und nachträglicher Auswertung als wenig relevant an. Denn in beiden Fällen wird alles und jeder gefilmt.

Gleicher Druck für die Betroffenen

"Für die Betroffenen übt es den gleichen Druck aus, das gleiche Gefühl von Überwachtsein, wenn die Aufnahmen in Echtzeit ausgewertet und abgeglichen werden, wie wenn sie im Nachgang mit zeitlichem Versatz ausgewertet werden", so Albrecht.

Niedrige Grenzen zur Auswertung

Vor allem die sehr niedrigen Grenzen, wann die Videos der Überwachungskameras ausgewertet werden dürfen, bewerten Kritiker als problematisch. So reicht ein einfacher Taschendiebstahl bereits aus, um die biometrischen Daten aller Personen auf den entsprechenden Videos auszuwerten.

Europarecht steht über deutschem Recht

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung spricht sich klar gegen eine Echtzeit-Auswertung aus, die endgültige Entscheidung - auch für Deutschland - wird jedoch über die in der Europäischen Union als Europarecht beschlossenen Regelungen getroffen.

Kompromiss mit anderen EU-Ländern

Zwar geht Deutschland auf Basis des Koalitionsvertrags in die Verhandlungen, jedoch muss ein Kompromiss mit den anderen Ländern der EU gefunden werden, wie Parsa Marvi, Berichterstatter für die SPD-Bundestagsfraktion laut Tagesschau angibt.

Tür auf für die Massenüberwachung?

Die Linken-Politikerin Domscheit-Berg ist skeptisch: "Meine Sorge ist, dass die Bundesregierung ermöglicht, dass wir aus Europa eine Regulierung kriegen, die die Tür aufmacht zu einer Massenüberwachung im öffentlichen Raum über biometrische Daten."

Stärkere öffentliche Debatte um KI-Verordnung der EU notwendig

Unabdingbar ist laut Domscheit-Berg eine stärkere öffentliche Debatte um die "Künstliche Intelligenz"-Verordnung, welche die EU derzeit verhandelt.

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