Aserbaidschans Offensive gegen Armenien: Steuern wir auf einem Krieg im Kaukasus zu?
Aserbaidschan hat am Dienstag, den 19. September 2023, eine "Antiterroroperation" im umstrittenen Gebiet Berg-Karabach eingeleitet.
Die armenischen Separatisten bestätigten laut France 24 die Offensive. Sie sagten, zwei Zivilisten seien getötet und 23 weitere verletzt worden.
Die Regierung Armeniens verurteilte laut France 24 entschieden eine "groß angelegte Aggression" zum Zweck der "ethnischen Säuberung".
Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan (im Bild) forderte von der der Hauptstadt Eriwan aus eine Reaktion von Russland, dem traditionellen Verbündeten, und der internationalen Gemeinschaft, um die aserbaidschanische Offensive zu beenden.
Während Frankreich eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates einberufen hat, sagte US-Außenminister Antony Blinken, er werde beide Seiten kontaktieren.
Im Schatten des Krieges in der Ukraine, der die Medien beherrscht, ist der Kaukasus ein gewaltiges Spannungsgebiet, das an der Grenze zu mehreren Regionen der Welt liegt.
Über den ungelösten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan hinaus, ist der Kaukasus ein regelrechtes Pulverfass zwischen den Regionalmächten Russland, Türkei und Iran.
Im Jahr 2020 hatte Aserbaidschan die Region Berg-Karabach angegriffen, die zwar offiziell unter der Souveränität der Regierung von Baku steht, aber überwiegend von Armeniern bewohnt wird.
In Wirklichkeit handelt es sich um einen alten Territorialstreit: Nach dem Zerfall der UdSSR hatte die Region die Aserbaidschaner zurückgedrängt und die Republik Artsakh gegründet, die aber nur von Armenien anerkannt wurde. Eine Anomalie, die mit der Offensive von 2020 korrigiert werden sollte.
Am Ende des sogenannten Zweiten Berg-Karabach-Krieges fiel die Region wieder unter die Kontrolle Aserbaidschans, mit Ausnahme von 30 % des Territoriums, das durch den Latchin-Korridor mit Armenien verbunden ist.
Dieser von der russischen Armee kontrollierte und als strategisch wichtig eingestufte Korridor ist seit Dezember 2022 Gegenstand einer Blockade durch Aserbaidschan, was die Versorgung der ansässigen Bevölkerung durch Armenien erschwert.
"Aserbaidschan fühlt sich in einer Position der Stärke und ist frustriert über den Ausgang des letzten Krieges. Das Land will Armenien unter Druck setzen, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen“, sagte Bayram Balcim, ein Spezialist für die Region, wie Geo berichtet.
"Aber der Status von Karabach ist etwas Besonderes und wurde während des Waffenstillstands 2020 nicht besprochen, was die Situation komplizierter macht", fügt Balcim hinzu, der auch Professor an der Sciences Po Paris ist.
Dass Armenien im Gegenzug für die Autonomie seiner Bevölkerung einen Gebietsverlust akzeptiert hat, reicht Aserbaidschan nicht aus, weil die Regierung in Baku die volle und alleinige Souveränität über Berg-Karabach haben möchte.
Erst kürzlich, am 10. September 2023, kam ein neuer Präsident in der Republik Artsakh an die Macht. Eine Wahl, die vom aserbaidschanischen Außenministerium als "grober Verstoß“ gegen die Verfassung eingestuft wurde, so AP.
Auf dem Foto: Jeyhoun Bayramov, Außenminister Aserbaidschans
Die Regierung in Baku forderte daher laut der amerikanischen Presseagentur AP den "vollständigen Abzug der armenischen Streitkräfte“ und die "Demontage des Marionettenregimes“. Der von France 24 zitierte armenische Regierungschef wiederum prangerte eine "militärische Provokation“ seines Nachbarn an.
Die Situation wird durch die ambivalenten Positionen anderer Staaten in der Region erschwert. Die Türkei, die die aserbaidschanische Regierung in Baku traditionell unterstützt, wurde durch den übertriebenen Aktionismus ihres Verbündeten abgeschreckt. Sie hat gerade die Beziehungen zu ihrem alten Feind Armenien normalisiert.
Armenien seinerseits ist offiziell mit Russland verbündet. Doch Moskau steckt im Krieg gegen die Ukraine fest und verliert allmählich das Interesse an seinem Verbündeten, dem es nur begrenzte Unterstützung gewährt.
Der Westen tendiert dazu, die Offensive Bakus zu stoppen. Die europäischen Staaten wollen jedoch weder auf die Kohlenwasserstoffe Aserbaidschans verzichten, noch wollen sie zulassen, dass sich das Land Russland annähert.
Da Armenien keine Verbündeten hat, die bereit sind, zu seinen Gunsten zu intervenieren, befindet sich das Land zurzeit in einer schwachen Position.
Nach Angaben der armenischen Behörden ist die Lage an der Grenze zu Aserbaidschan stabil. Doch die beiden Länder verharren in unvereinbaren Positionen. Hoffen wir, dass eine Eskalation vermieden wird und schnell eine friedliche Lösung gefunden werden kann!