Abschied von Benedikt XVI.: Das Testament vom emeritierten Papst
Seit Montag und bis Mittwoch haben die Gläubigen Gelegenheit, sich vom emeritierten Papst zu verabschieden, der im Petersdom aufgebahrt ist.
"Schmerzerfüllt muss ich mitteilen, dass Benedikt XVI., Papst Emeritus, heute um 9:34 Uhr im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan verstorben ist.", teilte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni am Morgen des 31. Dezembers 2022 mit und die Welt trauert.
Laut 'Bayrischem Rundfunk' rechneten die Behörden mit bis zu 35.000 Besuchern täglich, am Montag kamen jedoch bereits 65.000 Menschen, um sich von Benedikt zu verabschieden. In den kommenden Tagen könnten es noch mehr werden, da sich Pilger aus der ganzen Welt aufgemacht haben, um Benedikt noch einmal zu sehen.
Die Trauerfeier und Beerdigung sollen schlicht, aber feierlich am Donnerstag ab 09:30 Uhr abgehalten werden. Auf Wunsch des emeritierten Papstes wird er im ehemaligen Grab seines Vorgängers Johannes Paul II. in der Krypta des Petersdoms begraben.
Das Requiem wird vom amtierenden Papst Franziskus geleitet. Mehrere Medien haben bereits eine Live-Übertragung angekündigt. Kirchenvertreter, Staats- und Regierungschef aller Welt, darunter auch Bundespräsident Steinmeier, haben ihre Teilnahme bereits bestätigt.
In seinem geistlichen Testament aus dem Jahr 2006, das unter anderem auf 'Vaticannews' veröffentlicht wurde schrieb der ehemalige Papst: "Alle, denen ich irgendwie Unrecht getan habe, bitte ich von Herzen um Verzeihung." Außerdem bat er um Gebete "damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulänglichkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt."
Derzeit sind die Erben für seinen weltlichen Nachlass noch nicht ermittelt.
Am Mittwoch, den 28. Dezember überbrachte Papst Franziskus den Gläubigen die Nachricht, dass es dem ehemaligen Papst Benedikt XVI. gesundheitlich nicht gut geht und bat darum, für seinen Vorgänger zu beten. Kurzzeitig schien Benedikts Zustand stabil zu sein und wurde als "klar und wach" beschrieben, doch das war nicht von Dauer.
Seit längerer Zeit war bekannt, dass der 95-Jährige körperlich sehr schwach war und Schwierigkeiten beim Sprechen hatte. Medienberichte, wonach Benedikt unter Nieren- und Atemproblemen leidet, wurden nicht offiziell bestätigt.
Die Meinungen und Gefühle der Deutschen zu Joseph Ratzinger sind gemischt, vor allem wegen seiner Fehlentscheidungen vor und während seiner Amtszeit als Papst und aufgrund seines Umgangs mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. In einem Interview mit 'Euronews' sagte eine Katholikin: "Von daher tut es mir zwar leid, dass er jetzt im Sterben liegt, aber ganz ehrlich, ich weine ihm auch keine Träne nach." Sie selbst war Opfer, ebenso ein Verwandter, der bei den Regensburger Domspatzen war.
Benedikt XVI. wurde am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl als Joseph Aloisius Ratzinger geboren, seine Taufe war laut Bistum Passau nur wenige Stunden später, in der Osternacht. Sein Vater Joseph war Gendarmeriemeister, seine Mutter Maria Köchin. Ratzinger hatte zwei ältere Geschwister: Maria und Kirchenmusiker Georg.
Seine Kindheit war geprägt von einer liebevollen und tief gläubigen Familie. Er erlebte ein “freudiges, farbiges, menschliches Christentum”, schrieb er in seiner Autobiographie 'Aus meinem Leben'.
Josephs Vater wurde wiederholt versetzt. 1929 zog die Familie nach Tittmoning an der Salzach, wo Joseph im Alter von drei Jahren den Kindergarten im ehemaligen Augustinerkloster besuchte. Ende 1932 ging die Familie nach Aschau am Inn. Der fünfjährige Joseph besuchte dort die Schule und empfing in der spätgotischen Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt die erste Heilige Kommunion.
Joseph und Georg hatten eine enge Beziehung. Zuletzt kam der emeritierte Papst im Juli 2020 nach Deutschland, um seinen schwer kranken Bruder zu besuchen. Kurze Zeit später starb Georg Ratzinger. Es war Benedikts letzte große Auslandsreise.
Nach der Pensionierung des Vaters zog die Familie nach Traunstein, wo sie ein kleines Bauernhaus erwarb. Im Alter von 12 Jahren ging Joseph ebenso wie sein großer Bruder in das Traunsteiner Studienseminar St. Michael, “mit großen Erwartungen”, wie er in seiner Autobiographie schrieb. Dieses Seminar ebnete für beide Brüder den Weg zum Priestertum.
Joseph wurde 1943 mit anderen Seminaristen die zwischen 1926 und 1928 geboren wurden, als Flakhelfer eingezogen, beging aber Fahnenflucht. Später geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Juni 1945 entlassen wurde und nach Hause zurückkehrte.
1946 beschloss Ratzinger, Theologie and der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising zu studieren und wechselte später an die Universität München. 1951 erhielt er die Priesterweihe und war zunächst als Seelsorger in Münchner Stadtpfarreien tätig. Nach seiner Promotion wurde er 1957 Professor für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising, lehrte aber auch an den Universitäten in Regensburg, Bonn, Münster und Tübingen.
1962 begleitete Ratzinger den Kölner Kardinal Josef Frings zum II. Vatikanischen Konzil und wurde zu einem der bedeutenden Konzilsberater und Konzilstheologen. Im Mai 1977 trat der Regensburger Theologieprofessor die Nachfolge von Kardinal Julius Döpfner als Erzbischof von München und Freising an. Wenige Monate später nahm ihn Papst Paul VI. in das Kardinalskollegium auf.
(Bild: Ratzinger wird im Münchner Liebfrauendom zum Bischof geweiht)
Ratzingers Zeit als Erzbischof von 1977 bis 1982 galt als verhältnismäßig kurz und wurde oft kritisiert. Ein Priester wurde wegen Missbrauchsvorwürfen von Essen nach München versetzt, arbeitete aber weiterhin und trotz Therapieauflagen als Pfarrseelsorger, auch mit Kindern und Jugendlichen. Eine Erklärung des Vatikans von 2010 und ein Gutachten einer Münchner Anwaltskanzlei lässt darauf schließen, dass Ratzinger über den Sachverhalt informiert war, jedoch nichts unternahm.
Am 25. November 1981 wurde Ratzinger von Papst Johannes Paul II. nach Rom berufen und zum Präfekten der Römischen Glaubenskongregation, einem der engsten Mitarbeiter des Papstes ernannt. Von 2002 bis 2005 war der zukünftige Papst auch Dekan des Kardinalkollegiums.
Am 19. April 2005 wählten die Kardinäle in Rom Joseph Ratzinger zum Nachfolger des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. Weltweit, aber besonders in Deutschland, sorgte die Entscheidung für große Freude und Hoffnung. Nach 482 Jahren gab es wieder einen deutschen Papst, den achten in der Geschichte.
Übersetzt bedeutet Benedictus "der Gesegnete". Mit der Entscheidung für diesen Namen signalisierte der Papst, an welche Traditionen er anknüpfen will: an den heiligen Benedikt und den Benediktinerordnen mit Vorsatz "Ora et labora – Bete und Arbeite". Auch seine bayrische Herkunft spielte dabei eine Rolle, da die Benediktiner dort sehr aktiv waren.
Zu Beginn seiner Amtszeit machte Papst Benedikt deutlich, dass er das geistige und geistliche Erbe seines Vorgängers weiterführen wollte. Mit seiner am 25. Dezember 2005 veröffentlichten ersten Enzyklika 'Deus caritas est – Gott ist Liebe' setzte er eigene Akzente, die international ein positives Echo fanden.
Die Ökumene war für Ratzinger ein wichtiges Thema. 1999 wurde er für seine Mitwirkung an der 'Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre' gelobt. Nach der Veröffentlichung des päpstlichen Lehrschreibens 'Dominus Iesus' im Jahr 2000, bei dem Ratzinger federführend war, erntete er jedoch massive Kritik. Es schien, dass Ratzinger zwar für die Ökumene war, jedoch gegen die Aufgabe der Überzeugungen, Selbstverständnisse und Glaubensprofile der katholischen Kirche war. Dies sorgte auch für einen Konflikt mit den Kardinälen Meisner und Lehmann.
In seiner 8-jährigen Amtszeit als Oberhaupt der katholischen Kirche setzte er seinen konservativen Kurs fort, sprach sich für eine Fortführung des Zölibats, gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und Modernisierung der Kirche aus. Dafür erntete er viel Kritik von den Gläubigen und die Begeisterung schwand.
Der Begriff Vatileaks wurde durch den damaligen Vatikan-Pressesprecher Federico Lombardi geprägt und bezieht sich auf die Veröffentlichung von vertraulichen Dokumenten des Vatikans in den Jahren 2011 und 2012.
Die Weitergabe vertraulicher Informationen aus dem Umfeld des Papstes beschäftigte den Vatikan seit der Buchveröffentlichung des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi mit dem Titel ‘Sua Santità’ (Seine Heiligkeit, 2012). Darin publizierte er die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI.
Die veröffentlichten Dokumente enthielten Korruptionsvorwürfe, Missmanagement im Vatikan und Kritik an der Vatikanbank. Darüber hinaus gab es Unterlagen zum ungeklärten Fall der seit 1983 vermissten Italienerin Emanuela Orlandi. Verantwortlich für die Vatileaks soll laut internen Untersuchungen der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele gewesen sein.
Am 25. Mai 2012 wurde der Kammerdiener festgenommen und nach seiner Entlassung am 21. Juli 2012 unter Hausarrest gestellt. Doch viele Beobachter zweifelten an seiner Schuld. Anfang Juni 2012 gab die Zeitung 'La Repubblica' bekannt, dass sie auch nach Gabrieles Festnahme noch weitere Geheimpapiere erhalten hatte.
Am 11. Februar 2013 verkündete Papst Benedikt überraschend seinen Rücktritt als Pontifex und begründete dies mit seinem hohen Alter und gesundheitlichen Problemen. In seiner Erklärung hieß es: “Liebe Mitbrüder, ich danke euch von ganzem Herzen für alle Liebe und Arbeit, womit ihr mit mir die Last meines Amtes getragen habt, und ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler.“
Aufgrund des Skandals gab es viele Spekulationen, ob Benedikts Rückzug nur altersbedingt war. Gegenüber der ARD sagte beispielsweise der emeritierte Kurienkardinal Walter Kaspern: "In der Kurie ist vieles nicht gut gelaufen und läuft nicht gut. Es wird sicherlich eine Aufgabe des neuen Papstes sein, hier in der Kurie die Zügel in die Hand zu nehmen und auch in mancher Hinsicht etwas Ordnung zu schaffen." Papst Benedikt wurde als brillanter Theologe bezeichnet, viele hielten ihn jedoch nicht für einen guten Diplomaten und Kirchenpolitiker.
Seit seiner Abdankung lebte der emeritierte Papst Benedikt XVI. zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan, ebenso wie sein Privatsekretär Georg Gänswein, der ihm laut 'RND' einen lebenslangen Treueeid geschworen hat.
Am 14.12.2021 nahm Papst Benedikt erstmals Stellung zum Bericht über die Missbrauchsvorwürfe während seiner Amtszeit in München und Freising.
Am 24. Januar 2022 korrigierte Benedikt XVI. in einer Stellungnahme gegenüber der 'Katholische Nachrichten-Agentur' seine Angabe vom Dezember 2021 dahingehend, dass er doch an der Ordinariatssitzung teilgenommen habe, bei der über den Priester mit den pädophilen Neigungen gesprochen wurde. Er bezeichnete seine vorherige Aussage als "Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme“.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, forderte von dem emeritierten Papst Benedikt XVI. eine Entschuldigung an die Opfer, die jedoch nie erfolgte. Laut 'Tagesspiegel ' entschuldigte sich der ehemalige Papst zunächst nur für sein angebliches Versehen. Ein öffentlicher Brief an die Opfer folgte erst einige Zeit später.
Das derzeit noch laufendes Verfahren eines Missbrauchsopfers vor dem Landgericht Traunstein wird fortgeführt, da Benedikt dort durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird.