Das größte Luftwaffen-Manöver der NATO in Deutschland ist zu Ende: der Fazit?
'Air Defender 23' ist zu Ende. Vom 12. bis zum 23. Juni 2023 haben mehr als 10.000 Soldaten und 250 Flugzeuge aus 25 Staaten im deutschen Luftraum trainiert. Es war das größtes Luftwaffen-Manöver in der Geschichte der NATO. Wie kam es zu diesem Mammut-Event? Und welches Fazit kann man ziehen?
Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte den Fliegerhorst Jagel in Schleswig-Holstein und betonte, dass die Übung ein "Zeichen der Geschlossenheit" sei. Und ihr Ziel sei, so Scholz, dass "die Aussage auch ernst genommen wird von allen, dass wir bereit sind, jeden Zentimeter unseres Territoriums zu verteidigen".
Laut dem Generalleutnant der Luftwaffe der Bundeswehr, Ingo Gerhartz, ist ein wichtiges Ziel der Übung gewesen, die Maschinen und Systeme unterschiedlicher Luftwaffen in einem Datenverbund zusammenzuschließen. "Das ist uns nicht am ersten Tag gelungen, da haben wir ein, zwei Tage gebraucht." Aber während des Manövers habe es dann eine "steile Lernkurve" gegeben. So Gerhartz gegenüber dem NDR.
Ähnlich äusserten sich auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts im Bild) und der Chef der NATO Jens Stoltenberg (links), bei ihrem Auftritt in Jagel, bei dem sie auch in einen Eurofighter stiegen, wie das Foto zeigt. Angesichts des Ukrainekriegs herrscht Konsens in der NATO. Aber - überraschenderweise - war 'Air Defender 23' keine Konsequenz des Krieges.
Auch wenn es verwunderlich klingt, hatte die militärische Übung nichts mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine zu tun. Die Bundeswehr erklärte auf ihrer Webseite: "Die Übung wurde von Deutschland im Jahr 2018 initiiert (...) und findet im Sommer unter deutscher Führung statt."
Auslöser für die Planungen sei die Annexion der Krim gewesen, sagte der Generalleutnant der Luftwaffe der Bundeswehr Ingo Gerhartz (im Bild) am Freitag, den 9. Mai in Jagel, dem Hauptstandort der Übung.
Die Ausgangslage für die Übung wurde wir folgt von der Bundeswehr erklärt: Luft- und Bodenkräfte der gegnerischen Occasus-Allianz halten die fiktive Region Klebius im östlichen Deutschland besetzt - insgesamt etwa ein Viertel des Landes. Als nächstes planen ihre Einheiten nach Norden zur Ostsee vorzustoßen und einen Hafen in Besitz zu nehmen. Inzwischen hat das westliche Bündnis den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nato-Vertrages erklärt und die Verteidigung gegen den ebenbürtigen Gegner eingeleitet.
Mit dabei waren neben Deutschland: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, USA, Großbritannien, Schweden und Japan.
Die Bundeswehr erklärte auf ihrer Webseite:"Gleichwohl handelt es sich bei Air Defender 23 nicht um eine NATO-Übung, sondern um eine multinationale Übung unter deutscher Führung." Weiter hieß es: "Kritikerinnen und Kritiker hatten der NATO vorgeworfen, Russland mit der Großübung mitten in Europa provozieren zu wollen."
Im Bild: Generalleutnant der U.S. Air National Guard Michael A. Loh (links) und Generalleutnant der Luftwaffe der Bundeswehr Ingo Gerhartz.
Generalleutnant Günter Katz vom Luftwaffentruppenkommando der Bundeswehr sagte jedoch gegenüber dem YouTube-Format 'Nachgefragt' auch: "Natürlich will die NATO auch zeigen, dass sie verteidigungsfähig und abwehrbereit ist."
Richard Hunt, Kommandant der 175. Einheit der 'Air National Guard' in Maryland, die an der Übung teilnahm, erklärte laut Tagesschau vor Reservisten: "Es ist die größte Verlegung US-amerikanischer Luftstreitkräfte nach Europa, seit es die NATO gibt. Erinnert euch daran, warum die NATO gegründet wurde: um sowjetische, russische Aggression heute abzuschrecken - und in Europa ist Krieg".
Es gab drei Sektoren, die jeweils für mehrere Stunden am Tag gesperrt waren: Luftraum Ost (Mecklenburg-Vorpommern bis Ostsee) von 10 bis 14 Uhr. Luftraum Süd (Bayern bis Baden-Württemberg) von 13 bis 17 Uhr. Luftraum Nord (über der Nordsee) von 16 bis 20 Uhr. Nachts und am Wochenende gab es keine Übungen.
Es wurde viel darüber geredet welche Auswirkungen 'Air Defender' für Flugreisende haben wird. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) sprach von einigen Verspätungen und etwas längeren Flugzeiten, während die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) befürchtete, dass Passagiere mit täglich insgesamt 50.000 Verspätungsminuten rechnen müssen.
Bis auf einen Tag ging an den deutschen Flughäfen alles relativ glatt. Nur in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni kam zu dem Manöver noch ein starkes Gewitter. Diese Kombination führte am Frankfurter Flughafen zu langen Verspätungen. Das hessische Wirtschaftsministerium gab bekannt, dass es 63 Ausnahmegenehmigungen für verspätete Starts gegeben hat, sechs davon nach Mitternacht.
Nach Angaben der Bundeswehr hat sich die deutsche Luftwaffe mit 64 Maschinen beteiligt.. Darunter auch 16 Tornados, die der Aufklärung und dem Kampf dienen. Von den USA kamen 100 Maschinen.
Der Eurofighter bildet laut der Bundeswehr "das Rückgrat der deutschen Kampfflugzeugflotte“. Der Eurofighter kann über längere Zeit mit Überschall fliegen. Bei der Übung sollen 30 Eurofighter der Bundeswehr zum Einsatz kommen.
Auch fünf A400M von Airbus waren dabei. Das militärische Transportflugzeug kann laut Bundeswehr bis zu 114 Soldatinnen und Soldaten, einem Kampfhubschrauber Tiger, vier Geländewagen vom Typ Wolf oder sogar einem Schützenpanzer Puma aufnehmen. Auch als Tank- und Lazarettflugzeug kann es verwendet werden.
Auch dabei war die F-15 Eagle, die seit 1976 bei der US-Luftwaffe im Einsatz ist.
Das Kampfflugzeug F-16 gehört zu den leistungsfähigsten Militärjets weltweit. Es kann sowohl in der Luftverteidigung als auch gegen Ziele am Boden eingesetzt werden.
Die USA und die Niederlande nahmen unter anderem mit Kampfjets vom Typ F-35 an 'Air Defender 23' teil. Das Tarnkappen-Mehrzweck-Kampfflugzeug kann durch gegnerische Radargeräte erst sehr spät erfasst werden.
Seit mehr als 40 Jahren vertrauen die US-Luftstreitkräfte auf die Fairchild-Republic A-10 Thunderbolt II (auf deutsch Donnerkeil). Der zweistrahlige Unterschall-Jet ist zum Einsatz gegen Bodenziele und gepanzerte Fahrzeuge vorgesehen.
Im Nachhinein ist klar: Die Auswirkungen für die Bevölkerung waren gering. Was das größte Luftwaffen-Manöver der NATO militärisch und geopolitisch gebracht hat, wird man erst in der Zukunft richtig beurteilen können.