Der erste Tanker mit Flüssigerdgas hat in Wilhelmshaven angelegt
'Maria Energy' heißt das Schiff, das als erstes mit einer vollen Ladung Flüssigerdgas in Deutschland eingetroffen ist. Laut dem Betreiber Uniper reicht die geladene Fracht, circa 170.000 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas (LNG), um 50.000 Haushalte ein Jahr lang mit Energie zu versorgen. Aber die Fracht ist umstritten.
Der Tanker wurde laut Uniper am 19. Dezember in Cameron im US-Bundesstaat Louisiana beladen, und zwar mit Flüssigerdgas, das mit Fracking in den USA gewonnen wurde. Am 3. Januar 2023 legte er an dem schwimmenden Terminal, dem Spezialschiff 'Höegh Esperanza', an.
Das 289 Meter lange Schiff aus den USA wurde auf den letzten Metern zum Terminal von Polizei-Schiffen begleitet. Laut NDR protestierten am Abend etwa 45 Umweltschützer gegen die Erdgas-Lieferung. Schon bei der Eröffnung des Terminals, hatte es Kritik von Umweltverbänden gegeben.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 17. Dezember 2022 das erste Terminal für Flüssigerdgas in Wilhelmshaven offiziell eröffnet. Mit dabei, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil.
Scholz eröffnete das Terminal vom Ausflugsschiff Helgoland aus, begleitet von rund 400 Gästen. "Unser Land kann Aufbruch und Tempo“, so Scholz bei der Einweihungszeremonie in Bezug auf die schnelle Bauzeit von knapp 10 Monaten.
Laut dem Bundeskanzler wird Deutschland Ende 2023 voraussichtlich über eine Importkapazität von mehr als 30 Milliarden Kubikmeter Gas verfügen.
Herzstück des Terminals ist das fast 300 Meter lange Spezialschiff 'Höegh Esperanza' (im Bild), das künftig das von Tankschiffen angelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandeln und in das deutsche Gasnetz einspeisen soll.
Die Sache mit dem Flüssigerdgas ist aber nicht unumstritten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat rechtliche Schritte angekündigt. "Klimakrise und Energiekrise dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Terminals müssen sich an alle Umweltgesetze halten und dürfen nur befristetet genehmigt werden. Das werden wir notfalls auch mit rechtlichen Mitteln durchsetzen.“ So DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
Laut DUH wird "der Betrieb der 'Höegh Esperanza' ohne jegliche Befristung erlaubt – obwohl zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits der deutsche Ausstieg aus Erdgas bereits geplant werden muss. Außerdem wird die Einleitung großer Mengen Biozide ins Meer gestattet, trotz verfügbarer technischer Alternativen und der direkten Nachbarschaft zum UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer."
Im Bild: Spezialeinheiten der Polizei bewachen das Anlegen der 'Höegh Esperanza'.
Vier weitere Terminals sollen bis Ende nächsten Jahres entstehen. Eins in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein, eins in Stade in Niedersachsen, eins in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern und ein weiteres in Wilhelmshaven. Laut dem Wirtschaftsministeriums werden sie zusammen ein Drittel der für die Versorgung Deutschlands benötigten Erdgasmenge aufnehmen können.
Das neue Terminal und alle geplanten werden das Andocken von schwimmenden Speicher- und Regasifizierungseinheiten (FSRU) ermöglichen. Dabei handelt es sich um Schiffe wie 'Höegh Esperanza' oder 'Neptune' (im Bild), die verflüssigtes Erdgas wieder in Gasform umwandeln und dann direkt in das deutsche Gasnetz und Speichersystem einspeisen können. Das soll Deutschlands bisherige Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland verringern.
Die Bauarbeiten für das erste Terminal in Wilhelmshaven wurden innerhalb von zehn Monate abgeschlossen. In dieser Luftaufnahme bauen Arbeiter am 13. September 2022 in der Nähe von Wilhelmshaven eine Pipeline für den Transport von Erdgas vom neuen, nahe gelegenen Flüssigerdgas-Terminal (LNG) zum Untergrundspeicher Etzel.
Die Zeit drängt, denn seit dem Ukrainekrieg hat Russland die Gaslieferungen nach Deutschland deutlich verringert. Ein ernstes Problem angesichts unserer Abhängigkeit vom russischen Gas.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (im Bild rechts zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz) hatte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Sommer 2022 ein "perfides Spiel" vorgeworfen. Seit Russland rund 60% weniger Gas liefert, steigen die Preise für Gas ungebremst, mit ernsten Konsequenzen. Hier ein Überblick der Gaskrise in Deutschland.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller twitterte "Die politische Unsicherheit und die 60-prozentige Kürzung von Mitte Juni" bleiben aber "leider bestehen".
Wenn der 'worst case' eintreffen sollte, müssten die Gasreserven angezapft werden. Keine guten Aussichten. "Deutschland peilt bis 1. August 65 Prozent Füllstand an, EU-weit sollen unterirdische Gasspeicher bis 1. November zu mindestens 80 Prozent gefüllt sein. Eigentlich. Doch nun könnte es passieren, dass Europa schon bald an seine Reserven muss", so warnt der Icis-Energieanalyst Andreas Schröder gegenüber dem Handelsblatt.
Bereits Ende Juni hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) die 2. Eskalationsstufe im Notfallplan ausgerufen. Auf einer Pressekonferenz erklärte er diese Entscheidung: "Es liegt eine Störung der Gasversorgung vor, daher ist dieser Schritt erforderlich. Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen."
Habeck appellierte an Industrie, öffentliche Einrichtungen und private Verbraucher den Gaskonsum nach Möglichkeit zu reduzieren, um auf den Winter vorbereitet zu sein. "Wir müssen also jetzt die Vorsorge treffen, um im Winter vorbereitet zu sein", sagte er auf der Pressekonferenz im Juni 2022 in Berlin.
"Die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff auf uns", sagte Habeck. Die Strategie von Russlands Präsident Wladimir Putin sei es, Unsicherheit zu schüren, die Preise hoch zu treiben und zu spalten.
In Sachen Gasversorgung sind in Deutschland Fehler gemacht worden. "Es sind die Versäumnisse der letzten Dekade, die uns jetzt in diese Bedrängnisse geführt haben", sagte Habeck. Seit dem Ukrainekrieg sucht die Bundesregierung mit Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck an der Spitze auf der ganzen Welt nach alternativen Anbietern und Formen von Energie.
Im Bild: Robert Habeck bei Gesprächen in Jordanien.
Der sogenannte 'Notfallplan Gas' regelt die Gasversorgung in Deutschland bei Krisensituationen. Er hat drei Eskalationsstufen: die Frühwarnstufe Ende März 2022 von Habeck ausgerufen, die Alarmstufe, seit dem Sommer 2022, und die Notfallstufe.
Die Notfallstufe trifft ein, wenn eine "außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, eine erhebliche Störung der Gasversorgung oder eine andere erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage" vorliegt. In diesem Fall würde der Staat in die Verteilung der Gasressourcen eingreifen.
Im Bild: Gasspeicher von Uniper.
Zuerst wäre die Industrie betroffen. Laut t-online benötigt sie mehr als ein Drittel des gesamten Gasverbrauchs in Deutschland. Besonders hoch ist der Verbrauch in der chemischen Industrie. Aktuell führt die Bundesnetzagentur bereits Gespräche "zur Krisenvorbereitung mit der Industrie und der Energiewirtschaft", berichtet t-online.
Im Bild: die BASF Werke in Ludwigshafen
Laut der Bundesnetzagentur zählen private Haushalte, Feuerwehr, Polizei, Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Gefängnisse oder die Bundeswehr zu den sogenannten "geschützten" Kunden und würden auch bei einem akuten Gasmangel vorrangig versorgt werden.
"Die Wohnung bleibt warm, das Schwimmbad bleibt zu"- so bringt es Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, auf den Punkt. Auch Gewerbebetriebe mit einem Verbrauch von bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas im Jahr müssten sich keine Sorgen machen, sagte Müller der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dazu gehören zum Beispiel Bäckereien und Supermärkte.
Im Mai wurde eine Klausel zur Preisanpassung in das Energiesicherungsgesetz eingefügt. Danach ist es Versorgern erlaubt, bei verminderten Gasimporten hohe Einkaufspreise an ihre Kunden weiterzureichen. "Alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette (haben) das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen", heißt es in Paragraf 24.
Mit festgelegten Maximalpreisen und gesenkter Mehrwertsteuer für Erdgas von 19 auf 7 Prozent soll die von der Regierung beschlossene Gaspreisbremse die Verbraucher entlasten. Sparen ist dennoch das Gebot der Stunde, und daran ändert wohl auch die erste Anlegestelle für Flüssigerdgas erstmal nichts.
Bild: gas-frauke-riether-pixabay