Fischsterben in der Oder: Greenpeace macht polnischen Bergbau verantwortlich
Die "in Schlesien tätigen Bergbaukonzerne“ seien die Verursacher der Umweltkatastrophe, erklärte die Umweltschutzorganisation in einem in Warschau vorgestellten Bericht.
Bei drei Bergwerken der polnischen Bergbaukonzerne Polska Grupa Górnicza (PGG) (im Bild) und Jastrzębska Spółka Węglowa S.A. (JSW SA) kann die Umweltschutzorganisation, nach eigenen Angaben, stark salzhaltige Einleitungen nachweisen. Das salzhaltige Wasser begünstigt giftige Algenarten, wie Prymnesium parvum, die bei hohen Wassertemperaturen allem Anschein nach das Fischsterben ausgelöst hat.
Dem Bericht zufolge fand das Greenpeace-Team die höchsten Salzwerte im Oderzufluss Bierawka, in den der Bergbaukonzern JSW SA sein Grubenwasser einleitet. Der Salzgehalt des Zuflusses liegt dort bis 15-fach über dem für Süßwasser empfohlenen Wert. Zwei weitere Bergwerke von PGG erhöhen den Salzgehalt der Zuflüsse Klodnica und Kochlowka um bis zum 14-fachen der empfohlenen Werte.
Für die aktuelle Untersuchung nahm ein polnisch-deutsches Greenpeace-Team an drei Zuflüssen zur Oder und sechs zur Weichsel insgesamt 57 Wasserproben.
Das massive Fischsterben in der Oder im August 2022 war auch nach Ansicht deutscher Umweltexperten durch einen extrem gestiegenen Salzgehalt ausgelöst worden. Dieser habe wiederum zur massiven Vermehrung einer für Fische giftigen Brackwasseralge geführt. Das teilten das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt mit.
Im Bild: Protest in Brandenburg gegen die Verschmutzung der Oder
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (im Bild) kommentierte diesen Bericht wie folgt: "Das Fischsterben in der Oder ist eine gravierende Umweltkatastrophe. Sie wurde durch menschliche Aktivitäten verursacht, das ist ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen: Salzeinleitungen sind nach Ansicht der Fachleute die Ursache für das Fischsterben."
Am 9. August 2022 läuteten die Alarmglocken. Seit Tagen trieben Tausende tote Fische in der Oder. Eine riesige Umweltkatastrophe - und die Ursache für das giftige Wasser war unklar. Ein Rückblick auf die Ereignisse und die Kontroversen...
Die Feuerwehr in Polen barg nach eigenen Angaben vom 20. August fast 160 Tonnen toter Fische. Das Umweltministerium Brandenburg sprach von mindestens 36 Tonnen.
Theorien über mögliche Gründe gab es viele. Zuerst vermutete man, die langanhaltende Hitze und der damit verbundene Sauerstoffmangel im Wasser könnte der Auslöser gewesen sein. Später war die Sprache von Quecksilberablagerungen und einem hohem Salzgehalt. Dann hieß es eine toxische Substanz wäre durch illegal entsorgte Abwässer in die Oder gelangt. Rätselraten unter den Experten.
Eine Untersuchung des brandenburgischen Landeslabors ergab, dass Wasserproben, die zwischen dem 7.und 9. August aus der Oder genommen wurden, ein bestimmtes Pestizid in ungewöhnlich hohen Konzentrationen enthalten. Es handele sich, so das brandenburgische Umweltministeriums, um den Wirkstoff 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure. Das berichtete der 'Tagesspiegel' am 20.8.
Drei Tage vorher lautete eine Theorie "giftige Algen", weil eine extrem hohe Konzentration der Algenart Prymnesium parvum festgestellt wurde.
Gewässerproben haben ergeben, dass sich im Oderwasser "immens hohe Dichten" dieser Algen befinden, die einen Giftstoff absondern, der vor allem für Fische extrem giftig sei, sagte Jörn Gessner, Wissenschaftler am Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin, gegenüber NDR MV live.
Ebenfalls unklar war, ob eine Gefahr für Menschen bei Kontakt mit dem verseuchten Wasser besteht. Vorsorglich rieten die Behörden vom Baden, Angeln, Fischen und der Wasserentnahme aus den betroffenen Gebieten ab.
Der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke (im Bild) hatte sich vor Ort ein Bild der dramatischen Situation gemacht und eine Pressekonferenz abgehalten. Das Umweltamt Brandenburg hatte am Montag, den 15.8., erste Laborergebnisse ausgewertet. Ohne klare Resultate.
Die Laboranalysen hätten keine besonders hohen Werte für Metalle wie Quecksilber gezeigt, sagte der Sprecher des Umweltministeriums, Sebastian Arnold, gegenüber der Berliner Zeitung. "Die noch nicht vollständigen und noch nicht umfassenden und abgeschlossenen Untersuchungen zu Nährstoffen lassen bisher keine Hinweise auf eine singuläre Ursache für das Fischsterben in der Oder zu“, erklärte Arnold. „Weiterhin werden hohe Salzfrachten und ein hoher Sauerstoffgehalt festgestellt.“
Das Rätselraten geht weiter. Und die Warnungen vor dem Kontakt mir dem Wasser haben Konsequenzen für den Tourismus.
In den direkt vom Fischsterben betroffenen Regionen in Brandenburg gab es nach Angaben des Tourismusverbandes Seenland Oder-Spree weniger Urlauber.
"Die Hochsaison ist abrupt abgebrochen", sagte Elke Schmidt vom Campingpark Oderhaff bei Grambin der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Bei der Hälfte der derzeitigen Reservierungen kämen die Besucher nicht.
Am Ufer arbeiteten freiwillige Helfer um die unzähligen, stinkenden Fischkadaver aus dem Wasser zu holen. Diese wurden dann verbrannt.
Um eine mögliche Verunreinigung mit Wasser aus der Oder und der Spree zu vermeiden, wurden alle Schleusen des Oder-Spree-Kanals geschlossen.
Im Bild: Die geschlossene Schleuse Kersdorf an der Einfahrt zum Oder-Spree-Kanal am 17. August 2022
Viele Boote sitzen wegen der geschlossenen Schleusen fest. Peter Fischer (links im Bild) und Matthias Graupner, Freunde und Rentner, sind ein Beispiel. Sie warteten tagelang vor der gesperrten Kersdorfer Schleuse.
Man hätte sich eine schnellere, flexiblere und großflächigere Probenentnahme gewünscht, sagte Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband der Deutschen Presse-Agentur. Bis heute sei nicht klar, woran die Fische gestorben seien. "Von außen wirkte die Aktivität der deutschen Behörden nicht wie ein souveränes Krisenmanagement“, hieß es in einer Mitteilung des Verbands.
In Polen sind die ersten toten Fische schon Ende Juli aufgetaucht. Deshalb wurde von deutscher Seite die fehlende Information von polnischen Behörden kritisiert. Auch jetzt haben beide Länder keinen gemeinsamen Bericht veröffentlicht.
“Diese Umweltkatastrophe war vermeidbar. Hunderttausende Tiere sind qualvoll gestorben, weil grundlegende Kontrollen vernachlässigt wurden”, sagt Nina Noelle, Sprecherin von Greenpeace. “Wir fordern von der polnischen und deutschen Regierung, den Fluss künftig zu renaturieren, rund um die Uhr zu überwachen und das Einleiten von schädlichen Substanzen, wie Salzen und Schwermetalle, zu verbieten."