Führt Künstliche Intelligenz zu einer Änderung des Notensystems?
Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Welt - nicht nur im Arbeitsleben und im Alltag, sondern auch im Bildungswesen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) fordert nun eine Reform des aktuellen Notensystems - um auf den Einsatz von KI durch Schüler zu reagieren.
Bisher bestand das Notensystem in Deutschland aus der Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend). Durch den Einsatz von KI, wie bspw. ChatGPT, ist es allerdings leicht, gute Aufsätze zu schreiben und gute Noten zu bekommen.
Sogar bei Abiturprüfungen soll dies der Fall gewesen sein: In Hamburg haben Abiturientinnen wohl ChatGPT in Klausuren genutzt und so mit Hilfe der Programme der KI geschummelt.
Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV, sagte laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): "Ich glaube, dass die schnelle Entwicklung der KI uns kein langsames Weiterentwickeln der Leistungsbewertung erlaubt. Wir müssen einsehen, dass unser Leistungssystem oldschool ist."
Foto: Unsplash / Dawid Malecki
Fleischmann kritisiert die Logik des Schulsystems und fordert einen stärkeren Fokus auf Prozesse anstatt nur auf das Ergebnis. Den Grund, wieso dies in Deutschland immer noch so erfolgt, sieht Fleischmann vor allem darin, dass sich das Schulsystem nicht der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung angepasst hat.
Foto: Unsplash / Ben Mullin
Anstelle von Noten könnten Portfolios bewertet oder Leistungsgespräche geführt werden. Denn auch im Arbeitsleben seien Prozessbewertungen gängig. Dort werde in Assessments auch der gesamte Prozess beurteilt und nicht nur das Arbeitsergebnis am Ende.
Foto: Unsplash / Agefis
Mit Blick auf Programme der KI wie ChatGPT fordert Fleischmann eine schnelle Reaktion auf technische Entwicklungen, vor allem durch die Vermittlung von Wissen im Hinblick auf die Bewertung von Informationsquellen.
Foto: Pixabay / geralt
Kritik für diese Sichtweise gibt es allerdings vom Bayerischen Kultusministerium. So sagte Michael Piazolo zur Deutschen Presse Agentur (dpa), dass er Noten befürwortet und diese auch von vielen Schülern selbst gewünscht seien. Für sie seien Noten ein Nachweis, um ihre Leistung einordnen zu können.
Piazolo sieht zwischen dem Einsatz von KI zum Schummeln und dem Notensystem keinen Zusammenhang. So ist er der Auffassung, dass Schummeln in der Schule schon immer geschehen sei, nicht erst durch die Möglichkeiten, die KI bietet. Dies bedeute daher nicht, dass man das Notensystem, welches sich bislang bewährt habe, in Frage stellen müsse.
Ebenso bewertet Jürgen Böhm, Vorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer (VDR), die Situation. Böhm sieht keinen Zusammenhang zwischen der Bewertung schulischer Leistungen mit dem klassischen Notensystem und der Nutzung von KI.
Die Kontrolle, ob geschummelt wird, sei wichtig - egal, ob mit KI oder mit anderen Mitteln, so Böhm laut der FAZ. Diese Kontrolle obliegt dabei den Lehrkräften, die in Prüfungen die Aufsicht führen.
Böhm sieht den Einsatz von KI durch Schüler weniger kritisch, denn auch wenn KI genutzt werde, müssten die Schüler dennoch logisches Denken und Sprachverständnis anwenden. Diese seien laut Böhm Teil grundlegender Kulturtechniken.
Böhm ist der Ansicht, dass Anforderungen hinsichtlich der Leistungen für den Bildungserfolg entscheidend seien. Auf welche Art diese erreicht werden, also ob analog, digital oder mit KI, sei dabei zweitrangig.
Unbestreitbar ist allerdings, dass KI zu einer Revolution des Bildungssystems führt. Während früher Lexika und Tafelwerke genutzt wurden, googlen Schüler heute und lassen sich Sachverhalte über YouTube-Videos erklären.
Über ChatGPT lassen sich Hausaufgaben, Aufsätze und Hausarbeiten nun gänzlich von einer KI schreiben - mit ein paar Anweisungen durch den Benutzer sind die Texte in Sekundenschnelle erzeugt.
Für die Lehrkräfte geht es vor allem darum, Programme wie ChatGPT als Hilfsmittel in den Unterricht zu integrieren - und dennoch Wissens- und Kompetenzvermittlung zu betreiben.
Winfried Speitkamp, Staatssekretär im Thüringer Bildungsministerium, sieht hier laut dem MDR sogar eine mögliche Rükkehr zum Analogen. Denkbar wäre für ihn, dass die Schüler "ganz analog in Präsenz mit ihrem eigenen Gehirn und der eigenen Sprache erklären, was sie da gemacht haben. Vielleicht kommen wir da sogar zur Handschrift wieder zurück."
Inwiefern eine Änderung des Notensystems im trägen deutschen Schulsystem umsetzbar ist, wird sich zeigen. Besonders im Hinblick auf die Medienkompetenz muss jedoch in Schulen und Hochschulen eine verstärkte Vermittlung stattfinden, da die Übernahme von KI-erzeugten Texten und Informationen schnell in die falsche Richtung führen kann.
Auch Bundesinnenministerin Faeser forderte bereits klare Regeln zum Einsatz von KI.