Israels Ministerpräsident Netanjahu in Berlin - Steht ein Bürgerkrieg bevor?
Während Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Deutschland besucht, warnt der israelische Präsident Isaac Herzog vor einem Bürgerkrieg im eigenen Land. Alles zu den Hintergründen und dem Treffen zwischen Netanjahu und dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz erfahren Sie hier.
Besuche ausländischer Staatsoberhäupter sind in Berlin gang und gäbe. Die Ankündigung des Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Berlin führte allerdings zu einem Aufgebot an Polizei sowie der Absperrung großer Bereiche - denn dieser Besuch ist politisch heikler.
Bereits bei Netanjahus Abreise in Tel Aviv am Mittwoch war es am Flughafen zu Protesten gekommen, die auch am nachfolgenden Tag an anderen Orten weitergehen. Grund hierfür sind die politischen Pläne der Regierung Netanjahus.
Benjamin Netanjahu nahm das Amt des israelischen Ministerpräsidenten im Dezember letzten Jahres auf. Seitdem sind die Beziehungen zu Deutschland angespannt. Neben den politischen Plänen ist auch die rechtsextreme Ausrichtung einiger Politiker in der israelischen Regierung ausschlaggebend.
Der israelische Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir (Foto Mitte), ist vorbestraft und bedrohte im Jahr 2021 Palästinenser mit einer Pistole.
Viel heikler sind allerdings die politischen Pläne der Regierung Netanjahus, zu denen die Siedlungspolitik und die Justizreform zählen. Hierbei findet eine Abwendung von einer Annäherung an die Palästinenser statt.
So sollen Israelis in vier Siedlungen im Westjordanland zurückkehren, welche vor nahezu 20 Jahren geräumt wurden. Im Jahr 2016 wurden die über 200 Siedlungen im Gebiet der Palästinenser vom Sicherheitsrat der UN als Verletzung internationalen Rechts benannt.
Ein weiterer Punkt der Regierung unter Netanjahu, der für Protest sorgt, ist die geplante Justizreform. Diese sieht unter anderem vor, dass das Parlament mit einer einfachen Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts außer Kraft setzen kann. Kritiker befürchten eine Bedrohung der Unabhängigkeit der Justiz.
Bei Netanjahus Besuch in Berlin werden daher im Hinblick auf erwartete Demonstrationen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Rund um das Kanzleramt, das Schloss Bellevue sowie das Hotel Waldorf Astoria, welches sich nahe des Kudamms befindet, wurden Bereiche abgesperrt, die nun für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich sind. Auch befinden sich Tausende Polizisten im Einsatz.
Für Donnerstag, den 16.03., wurden mehrere Demonstrationen angemeldet, um im Rahmen von Netanjahus Besuch in Berlin gegen die Siedlungspolitik der israelischen Regierung und die umstrittene Justizreform zu protestieren.
Auch aus der deutschen Politik kommen Stimmen der Kritik. Bereits im Februar sagte der deutsche Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bei einem Treffen mit dem israelischen Justizminister in Jerusalem: "In aller Freundschaft muss ich sagen: Am Ende haben wir hier eine Differenz."
Gabriele Heinrich (SPD), Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag, betont die "tiefe Freundschaft zu Israel", auf Grund derer die deutsche Politik verpflichtet sei, "Differenzen und Sorgen über das israelische Regierungshandeln zu äußern und dabei kein Blatt vor den Mund zu nehmen".
Heinrich fügt auch an: "Die massiven Demonstrationen und die großflächigen Streiks sind ein deutliches Zeichen, dass die Bürgerinnen und Bürger Israels einen Abbau des Rechtsstaates nicht hinnehmen."
Heinrich betont, dass deutsch-israelische Gespräche gerade "mit Blick auf die zunehmende Gewalt in Israel und den palästinensischen Gebieten zum jetzigen Zeitpunkt umso wichtiger sind".
Diese wird Netanjahus Besuch in Berlin in jedem Fall beinhalten. Zudem besuchen der israelische Ministerpräsident und Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam das Mahnmal "Gleis 17" am Bahnhof Grunewald, von welchem aus die Deportation von Juden Anfang der 1940er Jahre stattfand.
Des Weiteren sind Gespräche zwischen Netanjahu und Scholz sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geplant. Steinmeier hatte bereits im Voraus gesagt, dass der "Umbau des Rechtsstaats" in Israel ihm Sorge bereite.
Es bleibt abzuwarten wie dieser Besuch Netanjahus in Berlin verläuft. Die Sorge der deutschen Politik um das gute Gelingen des Besuchs ist im Hinblick auf die angespannte Situation in jedem Fall gerechtfertigt. Vielleicht steckt Bundeskanzler Olaf Scholz auch der Besuch des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas im letzten Sommer noch in den Knochen.
Bei einer Pressekonferenz mit Scholz im Rahmen von Abbas' Besuch in Berlin warf Abbas Israel vor, seit dem Jahr 1947 "50 Massaker, 50 Holocausts" in von Palästinensern bewohnten Orten verübt zu haben. Olaf Scholz wurde später stark kritisiert, da er auf die Wortwahl Abbas nicht direkt reagiert, sondern diese erst nachträglich verurteilt hatte.
Während Netanjahu in Berlin weilt, warnt der israelische Präsident Isaac Herzog vor einem Bürgerkrieg. Die Proteste der Bevölkerung in Israel sieht der Präsident als Zeichen, dass das Land "nah dran" sei an einem Bürgerkrieg.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag kommen Netanjahu und Scholz in Hinblick auf die geplante Reform der israelischen Justiz nicht zusammen.
Netanjahu sagte, dass mit der Justizreform "Gleichgewicht" in der Gewaltenteilung hergestellt werden solle, da die Meinung bestehe, dass die Justiz in Israel zu mächtig sei. Allerdings sagt Netanjahu weiter: "Die Anschuldigungen, dass wir einen Bruch mit der Demokratie eingehen, stimmt nicht. Wir werden keinen Zentimeter davon abweichen."
Scholz äußert sich der Demokratie in Israel gegenüber positiv: "Unser Wunsch ist, dass unser Wertepartner Israel eine Demokratie bleibt. Demokratie ist nicht nur die Mehrheitsherrschaft, sondern auch die Sicherheit der Minderheiten. Das ist ein Anliegen, das wir haben. Ich will meine Zuversicht da nicht zurückhalten, das wird schon gelingen, das ist auch mein Wunsch."
Darüber hinaus haben sich Scholz und Netanjahu in Hinblick auf Waffenlieferungen besprochen. Deutschland ist am Kauf von israelischen Aero3-Flugzeugen interessiert. Des Weiteren sagte Scholz weitere Waffenlieferungen an Israel zu.