Deutschlandticket als Nachfolger des 9-Euro-Tickets beschlossen
Nach monatelangen Diskussionen steht nun fest:
Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten haben sich darauf geeinigt, dass es ab 2023 ein 49-Euro-Ticket, das sogenannte Deutschland-Ticket geben soll.
Ursprünglich war die Einführung des neuen Tickets ab 1. Januar 2023. Dies ist laut Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen unrealistisch. Er rechnet eher mit einer deutschlandweiten Umsetzung ab 1. März 2023.
Das neue Ticket kann sowohl online als auch am Automaten erworben werden und gilt im öffentlichem Nahverkehr. Manche Regionen bieten derzeit einen Vorverkauf an. Laut 'ADAC' ist für das neue 49-Euro-Ticket eine Einführungsphase von zwei Jahren geplant. Ab dem zweiten Jahr könnte das Ticket dann inflationsabhängig teurer werden. Anders als sein Vorgänger wird das Deutschlandticket als Plastikkarte oder digital angeboten. Darüber hinaus handelt es sich um ein monatlich kündbares Abo, was bisherige Abos der Verkehrsbetriebe überflüssig macht.
Das 9-Euro-Ticket wurde vom Bund mit 2,5 Milliarden Euro finanziert. Beim neuen 49-Euro-Ticket wollen sich Bund und Länder die Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro teilen. Laut 'Tagesschau' hatten die Länder eine Erhöhung der sogenannten Regionalisierungsmittel zur Bedingung gemacht, dass sie ein 49-Euro-Ticket mitfinanzieren.
Doch nicht alle sind vom neuen Ticket begeistert, bei dem keine kostenlose Fahrradmitnahme möglich ist. Laut 'Stuttgarter Zeitung' halten viele Organisationen, darunter auch der Sozialverband Deutschland das 49-Euro-Ticket für zu teuer und fordern weiterhin ein 365 Euro-Ticket. Auch der Fraktionschef der Linkspartei Dietmar Bartsch fürchtet, dass sich viele einkommensschwache Menschen dieses Ticket nicht leisten können.
Wenn man auf die Verkaufszahlen schaut, war das 9-Euro-Ticket ein riesiger Erfolg. Rund 52 Millionen Menschen in Deutschland haben davon Gebrauch gemacht.
Im Bild: Demonstranten bei der Zugdemonstration 'Sonderzug zu Lindner' in Berlin am 29.8.
Drei Monate lang konnte man öffentliche Verkehrsmittel für neun Euro im Monat nutzen. Dieses Angebot endete am 1. September.
Campact und Greenpeace hatten Demonstrationen organisiert und forderten die Beibehaltung des 9-Euro-Tickets. Im Bild spricht die Klimaaktivistin Luisa Neubauer zu den Demonstranten bei der Zugdemonstration 'Sonderzug zu Lindner' vor dem Bundesfinanzministerium.
Aufgrund der steigenden Energie- und Lebensmittelkosten forderten nicht nur die Verbraucherzentralen ein schnelles Nachfolgemodell.
Die Chefin des Bundesverbands, Ramona Pop, sagte gegenüber der dpa: "Die Gefahr steht im Raum, dass nach einem Sommer, in dem man mit dem kostengünstigen, einfachen 9-Euro-Ticket den öffentlichen Nahverkehr nutzen konnte, ein Rückschlag im Herbst kommt: mit drastischen Preiserhöhungen aufgrund gestiegener Energiepreise."
Pop betonte: "Die Erwartung ist, dass alle Verkehrsunternehmen in dieser schwierigen Lage nicht die Menschen weiter belasten. Das braucht aber eben natürlich auch ein politisches Backing, um Mehrkosten auszugleichen."
Die Verbraucherzentralen schlugen ein 29-Euro-Ticket mit bundesweiter Gültigkeit vor. Denn, so Pop: "Das fanden viele ja gut daran, dass man überall damit hinreisen kann und sich nicht im Tarifdickicht der unterschiedlichen Verkehrsverbände oder Regionen bewegen muss."
Verkehrsminister Volker Wissing (im Bild) kündigte zwar ein Nachfolgeangebot an, nannte aber weder einen Zeitpunkt noch konkrete Daten, wie es aussehen soll. "Zunächst müssten Struktur und Finanzierung des Tickets geklärt werden – und anschließend der Preis. Nur dann sei der Bund auch bereit, einen Beitrag zur Finanzierung zu leisten", sagte der FDP-Politiker im Deutschlandfunk.
"Man kann nicht vom Bund erwarten, dass er einfach Geld auf den Tisch legt, wenn die Länder selbst keine Vorschläge haben, wie das neue Ticket aussehen soll“, betonte Wissing. Unterstützung findet er mit diesen Ansichten bei seinem Parteifreund, dem Bundesfinanzminister Christian Lindner (im Bild).
Aus Sicht der Länder war klar: Einfach eine weitere billige ÖPNV-Fahrkarte konnte es nicht geben und forderten ein verbessertes Angebot im Nahverkehr: bessere Infrastruktur, mehr Personal, mehr Fahrzeuge. Das berichtet die taz. Die dafür jetzt vom Bund zugesicherte Milliarde sei für die Länder jedoch "nur ein Tropfen auf den heißen Stein".
Die SPD hatte ein bundesweites 49-Euro-Ticket ins Gespräch gebracht. Die Grünen wollten ein regionales Monatsticket für 29 Euro. Einige Verkehrsbetriebe, zum Beispiel Berlin und der Landkreis Lüchow-Dannenberg haben bereits eigene Sondertickets in die Praxis umgesetzt.
In der Hauptstadt Berlin sollte das 9-Euro-Ticket nach Aussage der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (im Bild) zumindest temporär durch eine regionale Variante für die Monate Oktober bis Dezember abgelöst werden.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen ist Vorreiter. Er bietet seit September ein 365-Euro-Ticket an. Die Buslinien im Kreis können damit ein Jahr lang genutzt werden. Die Initiative wird vom Bund gefördert.
Im Bild ein Plakat aus Stuttgart, dass ein 365-Euro-Ticket fordert.
Noch gibt es wenig Daten, aber es scheint, dass das 9-Euro-Ticket den Autoverkehr kaum vermindert hat. Das würde bedeuten, dass es zu zusätzlichen Fahrten mit Bahn und Bus geführt hat und nicht als Alternative zum Auto genutzt wurde.
Die Auswertung von Bewegungsdaten Hunderter Teilnehmer im Großraum München ergab, dass 35 Prozent der Probanden häufiger mit Bus und Bahn fuhren, jedoch nur drei Prozent ihr Auto weniger nutzten. Der Straßenverkehr ging im Juni, statt wie üblich zu steigen zwar zurück, aber lediglich um drei Prozent.
"Viele der aktuellen Daten muss man mit Vorsicht genießen", sagte der Projektleiter Öffentlicher Verkehr des Interessenverbands Agora Verkehrswende, Philipp Kosok, der Nachrichtenagentur dpa. "Das, was vorliegt, sind allerdings sehr alarmierende Daten. Es deutet darauf hin, dass mit dem 9-Euro-Ticket mehr Verkehr erzeugt und vor allem kaum verlagert wird. Es deutet sich an, dass wir hier keinen klaren Klimavorteil mit dieser Aktion haben", erklärte Kosok weiter.