Kubakrise: Vor 60 Jahren standen die USA kurz vor einem Atomkrieg
Im Herbst 1962 standen die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion 13 Tage lang im Mittelpunkt einer der kritischsten Stunden der Menschheit. Eine, die fast zu einem Atomkrieg geführt hätte.
Am 14. Oktober 1962 entdeckten US-Spionageflugzeuge erstmals neue Anlagen, die auf der Insel Kuba errichtet wurden. Eine CIA-Analyse ergab, dass es sich dabei um Abschussrampen für Atomraketen handelte, die den größten Teil der Vereinigten Staaten angreifen konnten.
In Kuba herrschte eine revolutionäre Regierung unter der Führung von Fidel Castro, der den US-freundlichen Diktator Fulgencio Batista gestürzt hatte.
Ein Jahr zuvor hatten die Vereinigten Staaten eine Invasion von Exilkubanern unterstützt, die peinlich gescheitert war. Dies ermutigte die revolutionäre Regierung auf der Insel.
Nach der gescheiterten Invasion hatte der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow den Eindruck, US-Präsident John F. Kennedy sei "zu jung, intellektuell, nicht gut vorbereitet für Entscheidungen in Krisensituationen … zu intelligent und zu schwach“.
Am 16. Oktober traf sich Präsident Kennedy mit einem Team von Beratern, um zu besprechen, wie mit der nuklearen Bedrohung in Kuba umgegangen werden soll. Dieses Team wurde offiziell als Executive Committee of the National Security Council oder kurz EXCOMM bezeichnet.
Verteidigungsminister Robert McNamara legte alle Optionen auf den Tisch. Dazu gehörten das Nichtstun, die Aufnahme von Gesprächen mit der Sowjetunion, ein heimliches Angebot an Fidel Castro, die Invasion Kubas, die Bombardierung der Raketenstellungen oder die Blockade der Insel.
Die Stabschefs waren sich einig, dass die USA nur Kuba angreifen und den sowjetischen Vergeltungsschlag abwarten konnten. Es gab viele Reibereien, da sie Kennedy als jung und unerfahren ansahen.
JFK lehnte den Angriffsplan ab und entschied sich stattdessen für eine "Quarantäne" Kubas. Eine Seeblockade, die aber offiziell nicht so genannt wurde. Zur gleichen Zeit nahm das Weiße Haus Gespräche mit dem Kreml auf.
Am 22. Oktober wandte sich Kennedy an das amerikanische Volk, machte die nukleare Bedrohung öffentlich und forderte die UdSSR auf, die Raketen von der Insel abzuziehen.
Die Kommunikation ging zwischen Kennedy und Chruschtschow hin und her. Der US-Präsident schrieb dem sowjetischen Regierungschef, dass kein Land einen Atomkrieg gewinnen könne und dass das einzige Ergebnis "katastrophale Folgen für die ganze Welt, einschließlich des Aggressors“ sein würden.
Der sowjetische Staatschef entgegnete, dass die Raketen nur zu Verteidigungszwecken dienten. Schließlich hätten die Vereinigten Staaten Raketen in Italien und der Türkei stationiert, also in Reichweite der UdSSR.
Währenddessen umzingelten US-Schiffe Kuba, während sich auch sowjetische U-Boote in der Karibik bewegten.
Am 25. Oktober kehrten sowjetische Frachter mit Waffen nach Europa zurück, aber ein sowjetischer Öltanker, die Bukarest, drohte die Seequarantäne zu durchbrechen, indem er Richtung Kuba fuhr.
Zwei US-Kriegsschiffe versuchten, die Bukarest abzufangen, aber Kennedy befahl, sie passieren zu lassen, da sicher war, dass sie keine Waffen an Bord hatte.
Am Tag darauf, am 26. Oktober, schickte Castro ein Telegramm an Chruschtschow, in dem er die Sowjetunion aufforderte, einen Präventivschlag gegen die Vereinigten Staaten zu führen, da er glaubte, dass eine Invasion unmittelbar bevorstehe.
Chruschtschow appellierte in einem Brief an die Menschlichkeit Kennedys, in dem er die Situation zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion mit dem Ziehen an einem Seil mit einem Knoten verglich, der mit jedem Zug enger wurde.
"Wenn es keine Absicht gibt, diesen Knoten zu straffen und damit die Welt der Katastrophe eines thermonuklearen Krieges auszuliefern, dann sollten wir nicht nur die Kräfte, die an den Enden des Seils ziehen, lockern, sondern auch Maßnahmen ergreifen, um diesen Knoten zu lösen", schrieb Chruschtschow.
Am 27. Oktober wurde ein US-Militärflugzeug abgeschossen, als es Kuba überflog. Einige Tage zuvor hatte Castro befohlen, alle amerikanischen Flugzeuge über der Insel abzuschießen.
Die Spitze des US-Militärs setzte Kennedy unter Druck, den Krieg zu erklären, aber der Präsident weigerte sich.
In der Zwischenzeit feuerte die US-Marine Übungswasserbomben als Warnschüsse auf das sowjetische U-Boot B-59 an der Blockadegrenze, ohne zu wissen, dass es Atomtorpedos an Bord hatte. Noch nie in der Geschichte war die Menschheit so nah an einem Atomkrieg wie damals.
Der U-Boot-Kapitän dachte, dass ein Atomkrieg bereits begonnen haben könnte und wollte einen Atomtorpedo abfeuern. Glücklicherweise war auch der Kommandant der U-Boot-Flotte an Bord und entschied sich dagegen, wodurch der Dritte Weltkrieg nur knapp abgewendet wurde.
Am selben Abend traf sich US-Justizminister Robert Kennedy, der jüngere Bruder von JFK, mit dem sowjetischen Botschafter Anatoli Dobrynin und versicherte ihm, dass die Vereinigten Staaten bereits die Verschrottung der Raketen in der Türkei planten, dies aber nicht öffentlich bekannt geben konnten.
Chruschtschow zog die sowjetischen Raketen aus aus Kuba ab und ordnete die Demontage der Raketenabschussrampen auf der Insel an. Der 3. Weltkrieg war abgewendet.
Die Kubakrise machte die Schaffung von Kommunikationskanälen zu einer Priorität, da das Weiße Haus und der Kreml damals noch mehrere Stunden brauchten, um sich gegenseitig Nachrichten zu übermitteln, manchmal auf inoffiziellem Wege, z. B. über Dritte.
So entstand die berühmte Hotline zwischen Moskau und Washington, D.C. Auch wenn sie im Volksmund als rotes Telefon bezeichnet wird, handelte es sich in Wirklichkeit um Telex-Nachrichten, die jede Partei in ihrer jeweiligen Sprache verschickte.
Fazit: Der Frieden zwischen zwei mächtigen Nationen wurde nicht durch eine härtere kriegerische Haltung, sondern durch Dialog und Konsens erreicht.