Liefert ein deutsches Unternehmen Bauteile für Waffen an Putin?
Trotz der EU-Sanktionen liefern einige Unternehmen auch ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine weiter Bauteile an Russland. Hierfür werden offenbar Umwege über andere Länder genommen. Unter diesen Unternehmen ist vermutlich auch eine deutsche Firma aus der Nähe von Köln.
Es handelt sich bei dieser um die Firma Smart Impex mit Sitz in Kerpen bei Köln. Das Unternehmen hat bis kurz vor Kriegsbeginn technologische Bauteile nach Russland verkauft, so die Tagesschau.
Bei den Bauteilen handelt es sich laut der Tagesschau um Technologie, welche auch von der russischen Armee genutzt wird.
Die elektronischen Bauteile der Firma Smart Impex werden für Computer verwendet, können aber auch in Waffen verbaut werden, wie sie unter anderem im Krieg in der Ukraine genutzt werden, so die Tagesschau.
Der Experte James Byrne von Think Tank Rusi, einer britischen Firma mit Fokus auf Verteidigung und Sicherheit, sagte über die Bauteile laut der Tagesschau: "Sie sind das Herzstück russischer Waffen." Sie werden in Raketen verbaut und Mitarbeiter von RUSI sollen in der Ukraine einige der Bauteile aus dem Westen gefunden haben, wie die Tagesschau angibt.
Laut der Tagesschau belegt eine Recherche des Politikmagazins Monitor den Verkauf der Bauteile nach Russland durch die deutsche Firma Smart Impex. Besonders brisant: Der Mitbegründer der Empfängerfirma in Russland, Jaroslaw Z., ist auch Gesellschafter bei Smart Impex.
Die direkten Verkäufe fanden nur bis kurz vor Kriegsbeginn statt. Allerdings zeigt die Recherche von Monitor, dass der Verkauf scheinbar weiterging - und zwar über die Türkei.
Die Zolldaten des russischen Unternehmens zeigen nur bis zum 24. Februar 2022 die Verkäufe von Smart Impex, wie die Tagesschau angibt. Danach taucht dafür ein türkisches Unternehmen auf.
Auffällig ist hierbei, dass die türkische Firma AZU International erst kurz nach Beginn des Ukraine-Krieges gegründet wurde.
Erneut fallen brisante Verstrickungen auf: Laut der Tagesschau ist der Mitbegründer der Firma AZU International mit Sitz in Istanbul, Göktürk A., ist auch Geschäftsführer und Gesellschafter von Smart Impex.
Der Wert der aus der Türkei verkauften Bauteile nach Russland im Jahr 2022 beträgt 20 Millionen US-Dollar. Es handelt sich genau um die Teile, die zuvor aus Deutschland bezogen worden waren.
Der deutschen Firma war es aufgrund von Sanktionen der EU nicht mehr möglich, die Teile nach Russland zu verkaufen. Umgeht Smart Impex durch den Umweg über die türkische Firma diese Sanktionen?
Zumindest ist dies laut der Tagesschau kein Einzelfall. Gerade in der Türkei hat sich seit Kriegsbeginn das Exportvolumen der Türkei in der Kategorie "Halbleiter und elektronische Schaltkreise" vervielfacht: Statt der 300.000 US-Dollar im Jahr 2021 waren es im Jahr 2022 86 Millionen US-Dollar.
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Die Ökonomin Elina Ribakowa sagt laut der Tagesschau: "Wir sehen einen massiven Anstieg der Exporte dieser Komponenten aus der Türkei nach Russland, vor allem von Unternehmen, die noch nie mit dieser Art von Komponenten gehandelt haben." Ribako2a war an der Analyse der Exporte nach Russland beteiligt und vermutet eine systematische Umgehung der Sanktionen der EU.
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Die Nachrichtenagentur Reuters hat den Mitbegründer der türkischen Firma AZU International und Gesellschafter von Smart Impex, Göktürk A., telefonisch gesprochen. Dieser bestätigte, dass Smart Impex elektronische Bauteile an AZU International verkauft. Alle weiteren Details seien nach Göktürk A. allerdings ein "Firmengeheimnis".
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Bärbel Sachs, Expertin für Sanktionsrecht, sagt zu der Situation: "Wenn der deutsche Geschäftsführer nun Geschäfte aus der Türkei durchführt, die aus Deutschland verboten wären, dann ist das ebenfalls ein Verstoß gegen das Embargo und zwar gegen die Verbote und auch gegen die Vermittlungsverbote."
Monitor hat weiter recherchiert und herausgefunden, dass der Geschäftsführer von Smart Impex kündigte. Grund hierfür: "dass Lieferungen der Smart Impex GmbH an die Firma AZU in der Kenntnis erfolgten, dass von der AZU Lieferungen nach Russland/Belarus getätigt werden würden". Diese Dokumente stützen die Vermutung des Dreieckshandels zwischen der deutschen, der türkischen und der russischen Firma.
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Monitor versuchte weitere Informationen zu erhalten, konnte aber keine Gesprächspartner bei den drei Firmen finden. Auf eine schriftliche Anfrage erfolgte die Antwort der deutschen Firma in Kerpen: "Wir lassen derzeit die Vorwürfe [...] genauestens prüfen. Die bisherigen Prüfungen belegen, dass unsere verkauften Güter nicht sanktioniert waren/sind."
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Tatsächlich scheint es jedoch, als wollten die Beteiligten die Spuren beseitigen, welche auf diesen Dreieckshandel hinweisen. So wurden sowohl die Firmennamen als auch die Gesellschafterstrukturen der türkischen und der russischen Unternehmen geändert, wie die Tagesschau berichtet.
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Dieses Vorgehen kann als Hinweis dafür gesehen werden, dass die Unternehmen sich über den vermutlichen Verstoß gegen die EU-Sanktionen bewusst sind.
Da das Unternehmen seinen Sitz in Kerpen bei Köln hat, müsste die Kölner Staatsanwaltschaft den möglichen Sanktionsverstoß prüfen. Wie die Tagesschau angibt, wurde jedoch auf Anfrage keine Auskunft zu laufenden Ermittlungen gegeben.