Massaker an Zeugen Jehovas in Hamburg - Der Täter, die Opfer und das mögliche Motiv
Nach dem Massaker in einem Gottesdienstzentrum der Zeugen Jehovas in Hamburg hat die Polizei eine Pressekonferenz abgehalten, die neue Informationen zu dem Täter sowie den Opfern lieferte.
Der mutmaßliche Täter Philipp F. ist 35 Jahre alt, stammt aus Memmingen in Bayern und lebte seit 2014 in Hamburg.
Laut Berichten des Spiegels stammt Philipp F. aus einem streng gläubigen Haushalt, hat eine Banklehre absolviert und Betriebswirtschaftslehre studiert. Im Internet bot F. Beratertätigkeiten in verschiedenen Bereichen an, so unter anderem 'Controlling' und 'Theologie'.
Philipp F. war ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas und verließ diese vor eineinhalb Jahren "freiwillig, aber nicht im Guten", wie die Tagesschau berichtet. Das genaue Motiv ist bislang unklar, ein politisch motiviertes Ziel wird von der Polizei ausgeschlossen. Es liegen Hinweise für einen Streit in der Glaubensgemeinschaft vor, wie der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer (Foto) sagte.
An die Waffe gelangte Philipp F. auf legalem Weg: Als Sportschütze besaß er seit Dezember 2022 eine halbautomatische Pistole von Heckler & Koch, die vermutlich auch die Tatwaffe ist.
Philipp F. hatte laut der Tagesschau keine Vorstrafen. Laut Polizeipräsident Meyer ging allerdings im Januar diesen Jahres bei der Waffenbehörde ein anonymer Hinweis ein, der die Vermutung einer psychischen Krankheit von F. enthielt. Der anonyme Hinweisgeber hatte eine Überprüfung der Vorschriften in Bezug auf das Waffenrecht und das Verhalten F.s erreichen wollen.
Zudem wies der anonyme Verfasser darauf hin, dass F. eine "besondere Wut auf religiöse Anhänger gehegt, besonders auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber" gehegt habe, so die Tagesschau.
Die Waffenbehörde war dem Hinweis nachgegangen und zwei Beamten hatten F. unangekündigt in Form einer Standardkontrolle aufgesucht. Da F. sich kooperativ gezeigt hatte und keine Beanstandungen vorgelegen hatten, waren die rechtlichen Möglichkeiten damit erschöpft, so Meyer.
Das Massaker ereignete sich am Donnerstag, den 9. März, gegen 21 Uhr im Gottesdienstzentrum der Zeugen Jehovas in der Straße Deelböge in Hamburg (Deutschland), wo sich eine Schießerei ereignete, die ein dramatisches Ende fand.
Nach Angaben der "Bild"-Zeitung wurden sieben Menschen getötet, alle durch Schüsse, und acht unterschiedlich schwer verletzt. Bei den getöteten Menschen handelt es sich nach Angaben von Polizeipräsident Meyer um vier Männer und zwei Frauen im Alter von 33 bis 60 Jahren sowie ein ungeborenes Kind, deren Mutter schwer verletzt überlebte. Der achte Tote ist der Täter Philipp F.
Acht Personen, sechs Frauen und zwei Männer im Alter von 23 bis 46 Jahren, wurden verwundet, so Innensenator Andreas Grote (Foto). Mindestens vier der Verwundeten erlitten lebensbedrohliche Verletzungen, so die Tagesschau. 20 Personen konnten unversehrt aus dem Gebäude gerettet werden, laut Grote vermutlich auf Grund des "schnellen und entschlossenen Eingreifens der Polizei".
Ein Großaufgebot von Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr war schnell am Ort der Schießerei, sperrte das Gebiet zur Sicherheit ab und versuchte, die sehr unsichere Lage unter Kontrolle zu bringen.
Die Hamburger Polizei selbst hat die Öffentlichkeit gewarnt und darauf hingewiesen, dass es Tote gab, dass es sich um einen Großeinsatz handelte und dass "bisher keine gesicherten Erkenntnisse über das Tatmotiv [vorliegen]. Wir bitten darum, keine ungesicherten Vermutungen zu teilen und/oder Gerüchte zu streuen."
Foto: Twitter - @PolizeiHamburg
Zunächst war nicht bekannt, ob es sich um einen oder mehrere Angreifer handelte, ob sie geflohen waren oder, wie die Polizei nach ersten Ermittlungen vermutete, ob einer der Toten in der Kirche dafür verantwortlich war.
Dies bestätigte der Hamburger Polizeisprecher Holger Vehren gegenüber lokalen Medien. "Es gibt Hinweise darauf, dass sich ein Täter am Tatort befindet und einer der Verstorbenen ist", sagte er.
Wie "NTV" berichtet, konnten die ersten Beamten, als sie in dem Gebiet eintrafen, noch einen Schuss hören. Trotzdem musste die Polizei zu keinem Zeitpunkt das Feuer eröffnen.
Die Leiche, bei der es sich vermutlich um den Täter handelt, wurde im ersten Stock eines dreistöckigen Gebäudes gefunden, während die Hauptveranstaltung im ersten Stock stattfand.
Bis die Polizei die Situation unter Kontrolle gebracht hat, bleiben Straßen und Wege gesperrt. Über die App "Nina Warnapp", mit der vor Notfällen gewarnt wird, wurden die Nachbarn aufgefordert, ihre Häuser nicht zu verlassen und Schutz zu suchen, wenn sie sich auf der Straße befinden.
Mehrere Stunden lang wurde das Gebiet um den Ort (Groß Borstel, Alsterdorf und Eppendorf) streng abgesperrt, da niemand das Gebiet betreten oder verlassen durfte.
In den frühen Morgenstunden meldeten die Behörden, dass die Gefahr in dem Gebiet vorüber sei und dass unter den gegebenen Umständen ein gewisses Maß an Normalität wiederhergestellt werden könne.
"Unsere Maßnahmen und Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Sobald es gesicherte Erkenntnisse gibt, werden wir diese direkt weitergeben", kommentierte die Hamburger Polizei nach Mitternacht, rund drei Stunden nach der Schießerei.
Lokale Medien haben direkt nach Rücksprache mit Sicherheitskreisen bestätigt, dass die Polizei davon ausgeht, dass es sich um einen isolierten Anschlag und nicht um einen terroristischen Akt handelt.
Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher gehörte zu den ersten Behörden, die sich zu dem Vorfall äußerten und twitterte. "Die Meldungen aus Alsterdorf / Groß Borstel sind erschütternd. Den Angehörigen der Opfer gilt mein tiefes Mitgefühl. Die Einsatzkräfte arbeiten mit Hochdruck an der Verfolgung des / der Täter & der Aufklärung der Hintergründe. Bitte beachten Sie die Hinweise der @PolizeiHamburg.".
Foto: Twitter - @TschenPe
Auch Innensenator Andreas Grote twitterte über den Einsatz vor Ort, "mit einem Großaufgebot einschließlich Spezialkräften im Einsatz, um vor Ort für Sicherheit zu sorgen und die näheren Umstände der Tat schnell vollständig aufzuklären. ".
Foto: Twitter - @AndyGrote
Die Polizei hatte noch Freitagnacht mittels eines Durchsuchungsbeschlusses die Wohnung von F. durchsucht und fand dort nach Angabe des Leiters der Hamburger Staatsanwaltschaft Ralf Peter Anders (Foto re.) 15 geladene Magazine mit je 15 Patronen sowie weitere 200 Patronen. Auch Laptops und Smartphones wurden von der Polizei gesichert, deren Daten nun ausgewertet werden.
Bis weitere Informationen vorliegen und der Zustand der Verwundeten geklärt ist, hinterlässt die Bilanz des Anschlags sieben Tote und viele Fragen, die im Laufe der Ermittlungen beantwortet werden müssen.
Die Polizei konzentriert sich derzeit auf die Suche nach möglichen Zeugen und die Befragung derselben, um den Tathergang zu rekonstruieren. Auf dem Hinweisportal der Polizei Hamburg können Hinweise hinterlassen werden.