Weltpolitik im Fokus: Neue Ära beginnt in München
Zu Beginn der Sicherheitskonferenz in München (MSC) hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der neuen US-Regierung Rücksichtslosigkeit vorgeworfen. Die Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen trat für mehr Geld für Rüstung ein. Dafür opfert sie den Stabilitätspakt.
Zugleich betonte die Kommissionschefin, dass Europa darauf bestehe, bei Gesprächen über eine diplomatische Lösung des Krieges in der Ukraine mit am Verhandlungstisch zu sitzen und kritisierte damit das unilaterale Vorgehen des US-Präsidenten. Dagegen protestierten auch viele vor den Türen der Sicherheitskonferenz in München.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprach sich die CDU-Politikerin von der Leyen dafür aus, die Ausnahmeklausel im Euro-Stabilitätspakt zu nutzen. Die EU-Defizitregeln wurden allerdings erst im vergangenen Jahr reformiert. Die klare und deutliche deutsche Kritik an dem ruppigen US-Vorgehen bei der aktuellen Geopolitik findet Bewunderer bei der New York Times.
Europa sendet das richtige Signal mit einer eigenen Verteidigung. Das jährliche Haushaltsdefizit der EU-Staaten soll unter der Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, und die Gesamtverschuldung eines Staates soll die Marke von 60 Prozent nicht übersteigen. Dies soll nun noch weiter flexibilisiert werden, um Europa und die NATO unabhängig von den USA zu stärken.
Bei seiner Rede vor den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz sprach der US-Vizepräsident vor allem über christliche Werte und fehlende Meinungsfreiheit in Europa, womit er viele Deutsche verärgerte. Er verteidigte die Interessen der Tech-Milliardäre und ihrer digitalen Plattformen. Anders als erwartet sprach er nicht über den Abzug von US-Truppen aus Europa und auch nicht über die Ukraine.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hält die Aussagen von Vance und seine Vorwürfe einer Zensurpolitik in Europa für „inakzeptabel“. Eine dauerhafte Machtverschiebung wird damit auf der MSC immer deutlicher. Aus Freunde werden Feinde und aus Feinden Freunde. China könnte davon profitieren, weil sie weniger aggressiv auftreten und wirtschaftlich langfristig bedeutender sind als die USA.
Pistorius warf Vance vor, ein Zerrbild der Demokratie in Europa zu zeichnen. Die Demokratie ermögliche gerade, dass »in Teilen extremistische Parteien wie die AfD ganz normal Wahlkampf machen, genau wie jede andere Partei«. Anders als woanders würden in Deutschland auch Medien zugelassen, »die russische Propaganda verbreiten.«
Unterstützung bekam der US-Vizepräsident dagegen von AfD-Spitzenkandidatin Weidel, die ebenfalls den Ukraine-Krieg schnell beenden will und Trump mehrfach gelobt hat. Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, traf sich mit wichtigen Entscheidungsträgern außerhalb der Konferenz und macht in seiner Rede deutlich, wie wichtig sein Land für den Frieden ein Europa geworden ist.
Friedrich Merz hat Vance auf der MSC persönlich getroffen und ihm nach eigenen Angaben vorgeschlagen, dass Gespräche über einen Friedensprozess in der Ukraine schnell beginnen sollten. Laut Politico hätten die Amerikaner kein Interesse an einem Treffen mit dem scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz gezeigt, der inzwischen die USA und Trump offen kritisiert, dafür von vielen Seiten gelobt wird.
Die jüngsten negativen Äusserungen aus den USA rund um eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine überraschen Wolodymyr Selenskyj nicht. Washington habe die Ukraine noch nie in der Nato gesehen, sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung bei der Münchner Sicherheitskonferenz, dennoch scheint es gut zu laufen zwischen ihm und Donald Trump.
Selenskyj fordert in seiner Rede, dass Europa schnell aufrüstet und die Welt sein Land weiter militärisch unterstützen müsste. Die USA haben sich dagegen zu einer weiteren militärischen Unterstützung nicht verbindlich geäußert. Das Land wird damit immer mehr zu einem Problem für Europa, wirtschaftlich und politisch.
Letztes Jahr auf der MSC versuchte China sich als Friedenstifter, jetzt versuchen es die USA. Aber wie auch schon bei den Chinesen sind keine Details bekannt und viele in Europa fühlen sich übergangen, vor allem Deutschland, das in der EU am meisten Geld für die Ukraine ausgegeben hat, in Form von Aufnahme von Flüchtlingen und der Lieferung von Waffen. Bei der Sicherheitskonferenz steht auch die Zukunft der NATO auf der Agenda.
Für Afrika ist die UN sehr wichtig, aber sie funktioniere nicht mehr richtig, berichtet der kongolesische Präsident Felix-Antoine Tshisekedi Tshilombo bei einer Diskussionensrunde auf der MSC. Der Sicherheitsrat und die Menschenrechtskommissionen müssten mehr Macht bekommen, um konkret einschreiten zu können, wie zum Beispiel jetzt im Kongo.
Chinas Außenminister Wang Yi preist sein Land in München als Alternative zu den USA. Es wirkt wie aus einem Science-Fiction-Film, dass die USA, wie Vance es andeutet, Europa und nicht China und Russland als Gefahren des Weltfriedens sehen. Damit scheinen sich die USA immer mehr auf autokratische Regierungen zu zubewegen, auch wenn Vance in seiner Rede immer wieder die Bedeutung von Demokratie unterstreicht.
Der auch immer wieder wegen seiner autokratischen Führung kritisierte Selenskyj hat nach eigenen Angaben ein "gutes Gespräch" mit Vance geführt, dem weitere folgen würden. Scholz machte dagegen nochmal klar, dass sein Land aus der Gegnerschaft zum Nationalsozialismus und zum Faschismus entstanden ist und gerade deswegen die Demokratie mit allen Mitteln verteidige.
Vance hat sich am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz auch mit AfD-Chefin Alice Weidel getroffen, die dort mit ihrer Partei nicht eingeladen war. Merz hat die Konferenz dagegen genutzt, um sich als neuer Gesprächspartner einzuführen. Sein sehr gutes Englisch dürfte ihm dabei behilflich gewesen sein.
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