PFAS-Chemikalien: gesundheitsgefährdend, aber noch nicht verboten
Geruchlos, geschmacklos, unsichtbar, aber gefährlich für die Gesundheit. PFAS-Chemikalien werden verdächtigt, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen. Und einmal in der Umwelt sind sie kaum abbaubar. Dennoch sind sie in unzähligen Alltagsprodukten vorhanden.
PFAS-Chemikalien sollen in der EU künftig verboten werden. Dazu gibt es seit dem 22.März 2023 eine öffentliche Anhörung bei der europäischen Chemikalienagentur (ECHA), in der unter anderem Industrievertreter ihre Stellungnahmen abgeben können.
PFAS ist eine Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien. Diese Stoffgruppe umfasst nach letzten Schätzungen mehr als 10.000 verschiedene Stoffe. PFAS kommen nicht natürlich vor und werden erst seit den späten 1940er Jahren hergestellt.
PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch stabil. Aufgrund dieser Eigenschaften werden sie in zahlreichen Verbraucherprodukten wie Kochgeschirr, Papierbeschichtungen, Textilien, Ski-Wachsen oder Zahnseide verarbeitet. Außerdem werden PFAS zur Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen, in Pflanzenschutzmitteln oder Feuerlöschmitteln verwendet.
Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz wurden in den letzten Jahren bei bestimmten PFAS auch gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen, was in Kombination mit der Langlebigkeit besonders bedenklich ist.
Laut der Verbraucherzentrale weisen Studien an größeren Bevölkerungsgruppen darauf hin, dass bestimmte PFAS die Leber, das Hormon- und Immunsystem schädigen und den Fettstoffwechsel stören, die Wirkung von Impfungen verschlechtern, ein geringeres Geburtsgewicht zur Folge haben, die Fruchtbarkeit verringern oder Krebs erzeugen können.
Menschen können PFAS vor allem über Lebensmittel und Trinkwasser aufnehmen. Sie sind in Böden, Trinkwasser, Futtermitteln und in verschiedenen Bedarfsgegenständen nachweisbar. Laut aktueller Kenntnisse der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA sind vor allem tierische Lebensmittel mit PFAS belastet.
Laut Tagesschau haben NDR, WDR und SZ im Februar 2023 gemeinsam mit europäischen Medien erstmals gezeigt, dass bereits mehr als 17.000 Standorte in Europa nachweislich mit PFAS belastet sind.
Im Bild: Bodenprobe PFAS in Bayern.
PFAS werden in kurzkettige und langkettige PFAS unterteilt. Kurzkettige PFAS sind extrem langlebig und verteilen sich in der Umwelt in kürzester Zeit über das Wasser. Langkettige PFAS sind in der Umwelt und in Lebewesen ebenfalls sehr langlebig und einige PFAS reichern sich in verschiedenen Organismen bis hin zum Menschen an. Diese Information veröffentlicht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Nachdem Wirkungen auf das Immunsystem von Säuglingen beobachtet wurden, empfahl die europäischen Lebensmittelbehörde EFSA bereits 2020 eine gruppenbezogene tolerierbare wöchentliche Aufnahme von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht nicht zu überschreiten.
Die Verbraucherzentrale warnt, dass es sich in der Regel nicht erkennen lässt, ob ein Produkt PFAS enthält, da es in den meisten Produktbereichen keine Kennzeichnungspflicht für diese Ewigkeits-Chemikalien gibt.
US-Umweltanwalt Robert Bilott befürchtet, dass vor allem die Industrie die öffentliche Anhörung nutzen wird, um das EU-Verbot zu verhindern.
Gegenüber dem NDR erklärte Bilott, die zu erwartende Argumentation: "Nämlich, dass diese Chemikalien für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind. Sie sind in praktisch jedem Produkt enthalten, in Dingen, die wir brauchen. Das klingt in etwa so: Naja, dann haben Sie kein Handy mehr, keine 5G-Netze, keine lebensrettenden Arzneimittel. Das ist das Argument, das den politischen Entscheidungsträgern vorgetragen wird."
Der US-amerikanischer Umweltanwalt deckte auf, wie gefährlich die Chemikaliengruppe der PFAS ist. Er nennt sie "eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit". Seit über 20 Jahren führt er Prozesse gegen Chemiekonzerne. Sein Kampf gegen die Industrie wurde in dem Film 'Vergiftete Wahrheit' dargestellt.
Im Interview mit dem NDR warnte Bilott vor den Folgen für die Gesundheit: "Es geht hier um die öffentliche Gesundheit. Erst kürzlich wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie viele Todesfälle beispielsweise allein in den Vereinigten Staaten seit 1999 auf PFAS zurückzuführen sein könnten: mehr als sechs Millionen."
Laut einer Studie (GerES V-Studie) waren deutschlandweit mehr als 1.000 untersuchte Kinder mit bestimmten PFAS belastet. Ein erheblicher Teil der Kinder wies so hohe Blutwerte auf, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann. Als Ursachen wurden in dieser Studie Muttermilch, kontaminiertes Trinkwasser und Imprägniersprays identifiziert. Auch im Blut von Erwachsenen sind PFAS nachweisbar.
Ein Verbot ist dringend erforderlich, das ist die Meinung der Verbraucherzentrale, die auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sowie andere Umweltorganisationen teilen. Ob ein komplettes Verbot kommt, bleibt abzuwarten. Erstmal wird die öffentliche Anhörung zu dem Thema bis Ende September weitergehen.