Putins Agenten in Deutschland - Wie bedroht sind wir von russischer Spionage?
Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) hat mit Spionen zu kämpfen, die die Institution infiltrieren. Im Jahr 2014 wurde ein Mitarbeiter verhaftet, der als sogenannter 'Maulwurf' Informationen an den amerikanischen Geheimdienst CIA weitergab. Im Dezember 2022 wurde nun ein Mitarbeiter wegen mutmaßlich russischer Spionage festgenommen. Wie bedroht ist Deutschland von Spionage? Und wer sind die Spione?
Nach der Festnahme eines mutmaßlich russischen Spions im Bundesnachrichtendienst (BND) hat BND-Präsident Bruno Karl zur Verschwiegenheit gemahnt. Auf Grund der laufenden Ermittlungen gibt der BND keine weiteren Einzelheiten bekannt.
Mittlerweile sind der Presse allerdings Details über den festgenommenen Carsten L., dem russische Spionage vorgeworfen wird, zugekommen. Der 52-jährige L. soll privat als Fußballtrainer aktiv gewesen sein und "Referatsleiter in der Abteilung 'Technische Aufklärung' sowie Oberst bei der Bundeswehr sein", so Focus Online mit Bezug auf eine große Spiegel-Recherche.
Der Spiegel hat in seiner Recherche weitere Informationen zu L. aufgedeckt, so Focus Online. In Weilheim in Oberbayern hat L. sich mit seiner Frau und zwei Kindern eine Familienidylle erschaffen - inklusive Doppelhaushälfte und Vorgarten.
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Über Interviews vor Ort sowie Internetrecherche hat der Spiegel einiges über L.s Interessen herausgefunden. So soll L. gerne auf die Jagd gehen, über eine Sprachlernapp seit über zwei Jahren Französisch lernen und einen Mercedes fahren - oder zumindest den Service eines Mercedes-Autohauses in Anspruch genommen haben, wie eine Google-Bewertung zeigt.
Besonders interessant ist im Kontext des Vorwurfs der Spionage für Russland ein Detail. Über den Nutzernamen gelangten Spiegel-Mitarbeiter zum vermeintlichen YouTube-Profil von L. - und dort findet sich neben Kriegsmarschmusik auch das Lied "Jungs aus Moskau und Berlin", das sich L. demnach vor einem halben Jahr angehört hat. Wenn dies wirklich L.s Profil ist, dann erstaunt auch das Profilbild: die Flagge des Deutschen Kaiserreichs plus Reichsadler.
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Im Kontext der Festnahme wird L. laut Tagesschau vorgeworfen, dass er Informationen an einen Nachrichtensender in Russland übermittelt haben soll.
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Besonders kritisch ist, dass es sich laut der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bei dem Inhalt der Information um ein Staatsgeheimnis nach §93 des Strafgesetzbuches handle.
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Die Weitergabe von Staatsgeheimnissen wird laut §97 Strafgesetzbuch mit einer Freiheits- oder Geldstrafe geahndet. Bei Landesverrat kann sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden, so die Tagesschau. Dies greift laut Tagesschau dann, wenn "der Täter eine verantwortliche Stellung missbraucht hat, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet". Dies würde in L.s Fall wahrscheinlich zutreffen.
Aktuell ist der Verdacht gegen BND-Mitarbeiter Carsten L. noch nicht offiziell bestätigt. Die Ermittler haben L.s Wohnung sowie seinen Arbeitsplatz durchsucht. L. sitzt weiterhin in Untersuchungshaft.
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Wenn L. wirklich ein Spion für Putin ist, dann ist auch der genaue Zeitpunkt der Übergabe der Information interessant und relevant, nämlich ob dieser vor oder nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stattfand. Dies ist bisher nicht bekannt.
Russland zeichne sich durch "Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft" aus. Daher sei besonders bei diesem gegnerischem Akteur Diskretion unabdingbar, so BND-Präsident Kahl.
Auch Justizminister Marco Buschmann mahnt zur Vorsicht und Wachsamkeit im Zusammenhang mit russischer Spionage.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagt laut Bayrischem Rundfunk (BR) diese russische Spionage sei "ein Weckruf an alle, dass Russland keine Ausnahme macht, auch bei uns zu spionieren, um unser System der Bundesrepublik zu destabilisieren".
Die Information über einen Spion im BND soll zunächst an den BND selbst und dann von diesem dort direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz übermittelt worden sein.
Das Motiv für die Spionage ist immer noch unklar. Laut Spiegel-Recherche konnten keine Unregelmäßigkeiten auf L.s Konto gefunden werden und es gab auch keine Hinweise auf eine Erpressung von russischer Seite. Der BND bleibt von diesem vermeintlichen Verrat weiter erschüttert.
Allerdings lässt sich die Festnahme L.s als eine positive Entwicklung gegen Spionage in Deutschland werten. Justizminister Marco Buschmann twittert: "Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist hier ein wichtiger Schlag gegen russische Spionage gelungen".
Auch Verteidigungsministerin Strack-Zimmermann sieht laut BR in der Verhaftung etwas Positives: "Die gute Nachricht ist, dass jeder wissen muss, der spioniert für Russland, dass er sich gewahr werden muss, entdeckt zu werden. Die Behörden sind hellwach und schlagen zu, wenn es sein muss."
Vielleicht kann anhand des Falls des amerikanischen Spions, der 2014 festgenommen und verurteilt wurde, L.s Schicksal, sollte der Verdacht der Spionage bewiesen werden, abgelesen werden. Der damals 32-jährige Bürokaufmann wurde zu acht Jahren Haft verurteilt. Er hatte zwischen 2008 bis 2014 über 200 geheime Dokumente des BND an den CIA übergeben und dafür mindestens 80.000 Euro erhalten.
Nicht nur in Deutschland sind vermeintlich russische Spione am Werk. Auch in Österreich wurde ein Mann mit griechischem Pass festgenommen. Er soll Informationen zum Ukraine-Krieg an Moskau übergeben haben.
Der CIA-Experte John Sipher sagt im Interview zu Focus Online, dass er von einer alle Ebenen umfassenden Infiltration Deutschlands durch Russland ausgeht.
Darüber hinaus eröffnet Sipher gegenüber Focus Online, dass andere Länder die Preisgabe von geheimen Informationen an Russland über deutsche Agenten fürchten.
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Nicht nur im BND gebe es russische Spione, so Sipher im Interview mit Focus Online: "Moskau hat unzählige Spione in Deutschland. Viele geben sich als Diplomaten oder Geschäftsleute aus."
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