Stimulation des Glücksmoleküls könnte Depressionen heilen
Glück hängt mit den Erinnerungen zusammen, die wir in unserem Leben gesammelt haben. Wenn eine Person überwiegend positive Erinnerungen hat, ist sie glücklicher als jemand mit negativen Erinnerungen. Aber wer entscheidet, ob eine Erinnerung gut oder schlecht ist?
Eine aufschlussreiche Studie hat herausgefunden, welches Molekül dafür verantwortlich ist, ob unsere Erinnerungen als positiv oder negativ kodiert werden. Der Artikel wurde am 20. Juli 2022 in der 'Nature', einer der renommiertesten Wissenschaftszeitschriften der Welt, veröffentlicht.
(Foto: Unsplash/ annie spratt)
Neurotensin ist ein Peptid aus 13 Aminosäuren, das im gesamten zentralen Nervensystem verteilt ist, vor allem im Hypothalamus, der die Hormone reguliert, und in der Amygdala, die für Emotionen wie Angst verantwortlich ist.
Die Existenz des Moleküls selbst ist nicht neu, wohl aber seine entscheidende Rolle bei der Kodierung von Erinnerungen. Je höher die Menge an Neurotensin, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Erfahrung als gute Erinnerung abgespeichert wird.
(Foto: Unsplash / cdc Linon)
Hao Li, der Hauptautor der Studie, wird von der brasilianischen Zeitschrift 'Super Interessante' zitiert und erklärt: "Es ist die Menge des verfügbaren Neurotensins, die das Gleichgewicht zwischen der Verarbeitung von Erinnerungen herstellt und bestimmt, ob diese positiv oder negativ ausfallen."
Die Studie wurde von Forschern des Salk Institute, einem biologischen Forschungszentrum in Kalifornien, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology und der Universitäten Harvard und Michigan durchgeführt.
(Foto: Unsplash / accuray)
Die Neurowissenschaftlerin Kay M. Tye, eine der Autorinnen des Artikels, sagt, dass man inzwischen besser versteht, warum manche Menschen eher negative als positive Emotionen haben, zum Beispiel Patienten mit Angstzuständen, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
"Während wir die Welt um uns herum erleben, werden wir ständig mit Sinnesreizen bombardiert. Unser Gehirn ordnet dann jedem Reiz einen positiven oder negativen Wert zu. Wir nennen diesen Prozess Valenzzuweisung", erklärte sie gegenüber 'News-Medical.net'.
"Fast alle unsere Verhaltensweisen sind durch zwei emotionale Valenzen gesteuert: das Streben nach Belohnung und die Vermeidung von Bestrafung. Wir müssen jederzeit schnell die wichtigsten Informationen herausfiltern, um eine Entscheidung zu treffen", fügt Kay M. Tye hinzu.
Dieser neurologische Prozess findet bei allen Menschen statt, aber unser Gehirn neigt dazu, mehr negative Erinnerungen zu speichern als positive. Aber warum ist das so?
Im Laufe der Evolution haben die Hirnschaltungen über viele Jahre hinweg gelernt, eine Bestrafung schneller zu erkennen als eine Belohnung, was darauf hindeutet, dass wir von Natur aus eher pessimistisch sind.
Denn "wenn Gefahr droht, wollen wir ihr entgehen oder weglaufen, aber wenn wir Hunger haben, können wir warten. Wir werden jedoch nicht warten, wenn ein Tiger in der Nähe ist. Um zu Überleben, nehmen wir das Negative schneller wahr als das Positive", erklärt Hao Li gegenüber 'NPR'.
Unsere Stimmung kann jeden Tag innerhalb einer bestimmten Spanne schwanken. Aber wenn diese Schwankungen außerhalb des normalen Bereichs liegen, bedeutet das, dass eine Pathologie vorliegt.
Kay M. Tye macht deutlich, dass im Allgemeinen eine Person, die zu viel positive Verarbeitung (Belohnung) hat, in Suchtverhalten wie Glücksspiel oder Drogenabhängigkeit verfallen kann, während diejenigen, die zu viel negative Verarbeitung (Bestrafung) haben, Depressionen oder Angstzustände bekommen können.
In dem Experiment, das die Bildung von Erinnerungen zum Ziel hatte, wurde den Mäusen beigebracht, bestimmte Geräusche mit einer guten (Futter) oder schlechten (schwacher Elektroschock) Erfahrung zu verbinden.
So wurde festgestellt, dass die Menge an Neurotensin anstieg, wenn sich die Mäuse an das positive Erlebnis erinnerten. Andernfalls nahm sie ab. Daraufhin wurden Mäuse genetisch so verändert, dass sie mehr oder weniger von dieser Substanz produzierten.
Nachdem die Konzentration von Neurotensin in der Amygdala der Tiere künstlich modifiziert worden war, wurde eine Veränderung ihres Verhaltens festgestellt, was die Bedeutung des Moleküls bei der Einordnung der erlebten Erfahrungen beweist.
Der Autor des Artikels ist optimistisch. Er glaubt, dass dieses Molekül Patienten helfen kann, psychische Erkrankungen zu überwinden oder sich zu erholen.
(Foto: Unsplash / sydney sims)
Dennoch räumt Hao Li ein, dass noch genauer erforscht werden muss, wie Valenzzuschreibungen zu Angst, Sucht oder Depression führen können.
"Neben Neurotensin gibt es noch viele andere Neuropeptide im Gehirn, die potenzielle Faktoren für eine Behandlung sind", so Hao Li gegenüber 'QuantaMagazine'.
Der Forscher nannte auch das Problem der Erfahrungen, von denen man nicht weiß, ob sie gut oder schlecht sind. Das Thema weckt bei dem Autor der Studie eine besondere Neugierde, die ihn motiviert, weiter daran zu forschen.
(Foto: Unsplash / devin avery)
Neue Studie: Im Teenageralter verhalten sich Menschen und Schimpansen bei Risiko ähnlich