Überraschende Studie: Pflanzen erzeugen Geräusche, wenn sie gestresst sind
Tomaten, die dringend Wasser brauchen oder aus anderen Gründen gestresst sind, zeigen dies anhand von Geräuschen. Schwer zu glauben, aber das ist das Resultat einer Studie von Wissenschaftlern der israelischen Universität Tel Aviv.
Pflanzen kommunizieren auf verschiedene Weisen. Das ist bekannt, spätestens seit der mittlerweile berühmte Förster Peter Wohlleben (im Bild) 'Das geheime Leben der Bäume' als Film und Buch veröffentlicht hat. Aber ob Pflanzen wirklich gezielt Geräusche machen, war bisher unklar.
Die Forscher von der Universität Tel Aviv in Israel erklären, dass sie erstmals zeigen konnten, wie Tomaten und Tabakpflanzen klingen und warum sie Töne aussenden.
Gestresste Pflanzen zeigen ein verändertes Erscheinungsbild, einschließlich Veränderungen in Farbe, Geruch und Form. Luftschall, der von gestressten Pflanzen ausgeht, wurde jedoch noch nicht untersucht.
Die Wissenschaftler erklären ihre Studie in der Fachzeitschrift Cell wie folgt: "Hier zeigen wir, dass gestresste Pflanzen Luftschall aussenden, der aus der Ferne aufgezeichnet und klassifiziert werden kann. Wir haben Ultraschallgeräusche von Tomaten- und Tabakpflanzen in einer Akustikkammer und in einem Gewächshaus aufgezeichnet und dabei die physiologischen Parameter der Pflanzen überwacht."
Die Geräusche wurden mit Mikrofonen aufgenommen, die 10 Zentimeter von den Pflanzen entfernt waren, wobei jede Pflanze gleichzeitig von zwei Mikrofonen aufgenommen wurde. Dabei zeichneten die Wissenschaftler Ultraschallgeräusche im Bereich von 20 bis 100 Kilohertz auf.
"Wir haben Modelle für maschinelles Lernen entwickelt, mit denen sich der Zustand der Pflanzen, einschließlich des Austrocknungsgrads und der Verletzungen, allein anhand der abgegebenen Geräusche erkennen lässt. Diese informativen Geräusche können auch von anderen Organismen wahrgenommen werden". So die Wissenschaftler laut der Fachzeitschrift Cell.
"Die Geräusche im Ultraschallbereich könnten aus einer Entfernung von drei bis fünf Metern von vielen Säugetieren und Insekten wahrgenommen werden", erklären die Forscher weiter. "Das könnte dazu führen, dass zum Beispiel eine Motte nach den Geräuschen entscheidet, ihre Eier nicht in einer wassergestressten Pflanze abzulegen."
Die Forscher konnten sogar die Art des Pflanzenstresses anhand der Geräusche bestimmen. Sie entwickelten ein Modell, das unterscheiden konnte, ob der Stress von Wind, Regen, Trockenheit oder etwa einem Schnitt ausgelöst worden war. Die Töne variierten dabei in Intensität und Frequenz. Trockener Tabak mache dabei zum Beispiel "lautere Geräusche" als Tabak, der gerade geschnitten werde.
Wir Menschen können die Geräusche nicht hören, weil die Frequenzen für unser Gehör zu hoch sind. Doch die Forscher haben die Audiosignale verändert, um sie auch für Menschen wahrnehmbar zu machen. Zu hören ist ein Ploppen, das ein bisschen an platzende Luftpolsterfolie erinnert.
Zum Vergleich schaute sich das Team auch ungestörte Exemplare an. Das Ergebnis: Gestresste Pflanzen gaben laut der Studie auffällig mehr Geräusche ab als die gesunden. Unter Stress machten sie rund 30 bis 50 Töne pro Stunde. "Wenn Tomaten überhaupt nicht gestresst sind, sind sie sehr leise", so Lilach Hadany, Evolutionsbiologin an der Universität in Tel Aviv, gegenüber dpa.
Die Forscher nehmen an, dass sich die Ursache für dieses Phänomen im Inneren einer Pflanze abspielt. Untersuchungen hätten gezeigt, dass es bei Pflanzen, die unter Trockenstress leiden, zur sogenannten Kavitation kommt. Dabei bilden sich grob gesagt Luftblasen im Gefäßsystem, die sich ausdehnen und wieder zusammenfallen. Dies führe zu Vibrationen.
Diese Arbeit eröffnet neue Wege zum Verständnis der Pflanzen und ihrer Wechselwirkungen mit der Umwelt und könnte Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben.
Die Forscher haben laut dem Bericht in Cell auch erfolgreich Geräusche von verschiedenen anderen Pflanzen aufgenommen, darunter Weizen und Mais, beide extrem wichtig für die globale Ernährung.
"Daher ist es wahrscheinlich, dass auch bei der Ernte (in Form von Schneiden) Geräusche ausgestoßen werden“, erklärte Lilach Hadany, Evolutionsbiologin an der Universität in Tel Aviv der dpa.
Laut dem Forscherteam könnte dieser Nachweis ein ganz neues Feld im Bereich Precision Farming eröffnen, in dem Landwirte die Geräusche von beispielsweise zu trockenen Pflanzen wahrnehmen könnten.
In der Studie erklären die Wissenschaftler, dass Pflanzenschallemissionen eine Möglichkeit zur Überwachung des Wasser- und möglicherweise auch des Krankheitszustands von Pflanzen bieten könnten. Fragen, die in der Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind. Eine präzisere Bewässerung kann bis zu 50 % der Wasserausgaben einsparen und den Ertrag steigern, was wirtschaftliche Auswirkungen hätte. So das Fazit der Wissenschaftler.
"Das Design der Studie ist gut“, hat Sibaji Kumar Sanyal, Molekularbiologe an der Heinrich–Heine–Universität in Düsseldorf, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber der Tagesschau gesagt. Aber ob sich diese Zukunftsvisionen bewahrheiten und wirklich umsetzten lassen, ist alles andere als sicher, und auf alle Fälle noch ein langer Weg.