Vom Paradies in einen Albtraum: Das Campingplatz-Unglück von Los Alfaques am 11. Juli 1978
45 Jahre ist es her, dass ein Unglück die Urlaubsidylle in der spanischen Provinz Tarragona zerstörte: Am 11. Juli 1978 explodierte ein Flüssiggas-Tanklaster neben dem Campingplatz "Los Alfaques" - 215 Menschen kamen ums Leben, über 60 überlebten schwer verletzt. Wie konnte es zu diesem tragischen Unfall kommen?
Bei Urlaubern war der Campingplatz "Los Alfaques" (dt. Die Untiefen) an der Costa Daurada in Spanien vor allem auf Grund seiner Lage direkt am Meer sowie der guten Erreichbarkeit über die Nationalstraße 340 äußerst beliebt.
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Eingebettet zwischen Strand und Straße hatte der Platz zwar über die gesamte Länge den direkten Strandzugang, durch die geringe Breite des Campingareals von nur etwa 50 Metern aber auch die Nähe zur Straße, welche sich als verhängnisvoll erweisen sollte.
Am 11. Juli 1978 nutzte ein Tanklaster die Nationalstraße, um seine Ladung zu transportieren. Statt der erlaubten 19 Tonnen Propylengas hatte er 23 Tonnen an Bord - also 4 Tonnen zu viel.
Über die Nationalstraße war der Flüssiggas-Tanklaster unterwegs nach Puertollano und hatte somit noch mehrere hundert Kilometer vor sich - doch dann kam es in der Nähe des Ortes Sant Carles de la Ràpita zu dem Unglück.
Es war Nachmittag an diesem heißen Dienstag im Sommer und der Campingplatz war mit 700 Besuchern voll belegt, als der Tank des Lasters das Gas nicht mehr halten konnte...
Das geladene Propylengas trat in Windeseile aus und entzündete sich an den Flammen der Gaskocher, die sich in diesem Moment bei den Urlaubern in Benutzung befanden. In kürzester Zeit stand der Campingplatz in Flammen. Wie der Stern berichtete, war die brennende Luft 1.500 Grad heiß. Eine Augenzeugin sprach von einer "Flammenhölle".
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Die Hitze durch das brennende Gas des Tankers ließ auch die Gasflaschen in den Wohnwägen explodieren. Das Ausmaß der Zerstörung war unglaublich: Die Druckwelle schleuderte Menschen ins Meer, andere verbrannten bei lebendigem Leib.
Laut Deutschlandfunk berichtete der Journalist und Augenzeuge José Angel Odena davon, dass die Menschen durch die extreme Hitze sogar im Meer starben und sich die Hände eines Opfers in einen Felsen im Meer einbrannten.
Die Verletzten, die noch lebten, wandelten unter Schock wie Zombies über den Platz. Ein Augenzeuge berichtete, dass er sich vorkam, als sei er in einen Horrorfilm versetzt worden.
215 Menschen starben während oder als Folge des Unglücks, insgesamt wurden über 400 Menschen verletzt, davon 64 schwer. Laut dem Stern waren die Einheimischen die Ersthelfenden vor Ort, die Verbandszeug brachten und Verletzte mit ihren eigenen PKWs in Krankenhäuser fuhren.
Da die Krankenhäuser mit der Menge an Verletzten überfordert waren, schickten andere Länder Mediziner und Arzneimittel in die Provinz Tarragona. Aus Deutschland kam Unterstützung durch das Rote Kreuz, die Luftwaffe der Bundeswehr und den deutschen Automobilclub ADAC - denn unter den Opfern waren auch viele Deutsche.
Die Todesopfer waren zum Teil so stark verbrannt, dass die Identifizierung mehrere Tage dauerte. 80 Franzosen, 45 Spanier, 38 Belgier, 33 Deutsche, neun Niederländer und fünf Schweizer überlebten das Unglück von Los Alfaques nicht.
In später eingeleiteten Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Überladung des Lasters bei dem Unglück eine entscheidende Rolle spielte...
Der Tank darf normalerweise nicht ganz gefüllt werden, damit das Gas einen Raum hat, um sich bei den heißen Sommertemperaturen auszudehnen. Im Fall von Los Alfaques war dies durch die Überfüllung nicht der Fall.
Bei der Ausdehnung entwickelte das Gas eine Kraft, welcher der Tank nicht standhalten konnte. Dieser war zudem aus einem sogannten sprödbruchempfindlichen Stahl hergestellt. Dies bedeutet, dass der Stahl wenig dehnbar ist und es zu schlagartigem Materialversagen kommen kann.
In dem Prozess, der vier Jahre nach dem Unglück stattfand, wurden zwei Angeklagte verurteilt. Der Direktor der Raffinerie Enpetrol sowie derjenige des Herstellers des Tanks, Cisternas Reunidas, erhielten eine Haftstrafe von jeweils einem Jahr auf Bewährung.
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Die Familien der Opfer sowie die überlebenden Verletzten hatten bereits vor dem Gerichtsverfahren bei einer außergerichtlichen Einigung eine Abfindung erhalten, deren Summe sich auf 1,1 Milliarden Pesetas belief. Dies entsprach damals etwa 25 Millionen Deutsche Mark, heute circa 6,6 Millionen Euro.
Das tragische Unglück blieb für das internationale Sicherheitsdenken nicht ohne Folgen: In Spanien durften die "rollenden Bomben", so Deutschlandfunk, für einige Zeit nicht auf den Straßen fahren und in Deutschland wurden Fahrerschulungen eingeführt.
Diejenigen, die eine der, wie der Focus sie bezeichnet, "großen europäischen Nachkriegskatastrophen", überlebten, können die Bilder von damals nie vergessen und sind zum Teil auch körperlich für immer gezeichnet...
Die Betreiber des Campingplatzes "Los Alfaques" ließen diesen für ein Jahr geschlossen, bevor sie wieder öffneten. Auch heute noch ist der Platz in Betrieb, allerdings unter dem Namen "Camping Alfacs". Außer einer Gedenkmauer erinnert dort nicht mehr viel an das Unglück von 1978.
Foto: Instagram, @campingalfacs