Was bedeutet Erdogans Wiederwahl für den Westen?
Die Türkei hat gewählt und sich erneut für Recep Tayyip Erdogan als Präsidenten entschieden. Eine Wiederwahl, die nicht jeder befürworten wird und die eine Bedeutung für den Westen hat. Denn die Türkei ist weiterhin ein Partner und ein Mitglied der NATO - zudem positioniert sich Erdogan im Ukraine-Krieg.
Recep Tayyip Erdogan war von 2003 bis 2014 Ministerpräsident der Türkei, seit 2014 ist er der türkische Staatspräsident - und wurde bei der Präsidentschaftswahl 2023 erneut auf fünf Jahre wiedergewählt.
Der Präsident wird in der Türkei seit 2014 direkt vom Volk gewählt, so dass auch bei dieser Präsidentschaftswahl etwa 60 Millionen Türken die Möglichkeit hatten, ihre Stimme abzugeben.
Drei Kandidaten standen um das Amt des Präsidenten zur Wahl: der amtierende Präsident Erdogan, der Kandidat des Oppositionsbündnisses "Sechser Tisch", bestehend aus sechs Parteien, Kemal Kilicdaroglu (Foto), sowie Sinan Ogan von der Ata-Allianz.
Im ersten Wahlgang am 14. Mai konnte keiner der Kandidaten die Wahl für sich entscheiden. Erdogan und Kilicdaroglu erhielten beide nur über 40% der Stimmen, Ogan knapp über 5%.
Am 28. Mai fand infolgedessen zwischen Erdogan und Kilicdaroglu die erste Stichwahl um das Amt des Präsidenten in der Geschichte der Türkei statt. Ogan positionierte sich bei der Stichwahl auf der Seite Erdogans, so die Frankfurter Rundschau (FR).
Bei dieser Stichwahl konnte Erdogan über 50 % der Stimmen für sich gewinnen und so seine dritte Präsidentschaftsperiode antreten. Über das Wahlergebnis sagte Erdogan laut CNN: "Wir sind nicht die einzigen Gewinner, der Gewinner ist die Türkei. Der Gewinner sind alle Teile unserer Gesellschaft, unsere Demokratie ist der Gewinner."
Erdogan hatte laut Ruth Michaelson and Deniz Barış Narlı von The Guardian zunächst auf Grund der Erdbeben in der Türkei einen "ruhigeren Wahlkampf" versprochen. Im Wahlkampf selbst stand jedoch im Fokus, "den Wählern zu versichern, dass nur er in der Lage ist, die Probleme zu lösen, zu denen auch eine sich verschärfende Wirtschaftskrise gehört".
Die Inflationsrate in der Türkei beträgt fast 44 %, wodurch Kosten für Miete, Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs explodiert sind. Dies wurde auch durch "die Weigerung Erdogans, eine orthodoxe Wirtschaftspolitik zu verfolgen und die Zinssätze anzuheben, noch verschärft", so BBC.
Erdogans Sieg wurde von seinen Anhängern in Ankara ausgiebig gefeiert. Laut dem BBC steht für diese weniger die türkische Wirtschaft im Fokus als Erdogans Vorgehen im Kampf gegen "Terroristen", womit kurdische Kämpfer gemeint sind.
Kilicdaroglu kommentierte die Präsidentschaftswahl mit den Worten: "Dies war die ungerechteste Wahlperiode in unserer Geschichte... Wir haben uns dem Klima der Angst nicht gebeugt." Und weiter: "Bei dieser Wahl wurde der Wille des Volkes, eine autoritäre Regierung zu wechseln, trotz allen Drucks deutlich."
Kilicdaroglu gab dem CNN nach weiter an: "Was mich wirklich traurig macht, sind die schweren Tage, die unserem Land bevorstehen." Unter den ersten, die Erdogan gratulierten, waren die Präsidenten Russlands, Katars, Libyens, Algeriens, Ungarns, Irans und die Behörden Palästinas.
Der Sieg Erdogans hat eine hohe Bedeutung für den Westen, da die Türkei Mitglied der NATO ist - mit der zweitgrößten Anzahl aktiver Soldaten nach den USA - und an den gemeinsamen Missionen teilnimmt. Zudem hat Erdogan eine gute Verbindung zu Russlands Präsident Wladimir Putin, unterstützt allerdings auch die Ukraine mit Waffenlieferungen.
Die Türkei wurde von den westlichen Staaten in der Vergangenheit als die "Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten" bezeichnet, so Katya Adler von BBC. Durch den Ukraine-Krieg hat sich dieser Status verändert.
Als NATO-Mitglied hatte sich die Türkei unter Erdogan bislang gegen die Aufnahme Schwedens in die NATO gestellt - ebenso wie Ungarn. Die USA erwarten hingegen Erdogans Zustimmung, da sie sich mit Schweden eine Deckung des Westens gegen Russland an der Ostsee erhoffen.
Laut dem CNN bezeichnet Erdogan seine Beziehung zu Putin allerdings als "besonders" und gab bekannt, dass er Schwedens NATO-Mitgliedschaft weiterhin verhindern will. Grund hierfür ist die Beschuldigung Erdogans, dass Schweden Angehörigen kurdischer Terrorgruppen nicht an die Türkei ausliefere.
Erdogan machte seine Zustimmung zur Aufnahme Schwedens in die NATO bislang von der Auslieferung dieser Personen abhängig. Stockholm hingegen gab an, dass nur schwedische Gerichte über eine Auslieferung entscheiden könnten.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gratulierte Erdogan auf Twitter zur Wiederwahl, kommentierte dies allerdings mit den Worten: "Wir zählen auf die weitere Stärkung der strategischen Partnerschaft zum Nutzen unserer Länder sowie auf die Stärkung der Zusammenarbeit für die Sicherheit und Stabilität Europas."